Man nehme sich ein Vorbild an David Hockney und bleibe auf ewig neugierig. Der 85-jährige englische Künstler schloss noch jede technische Neuerung grossherzig in seine Arme. Fotokopierer, Faxmaschine, Sofortbildkamera und zuletzt das iPad – Hockney wusste sie alle für seine Zwecke einzuspannen. Und die Kunst, die er mit diesen Medien schuf, zeugt wiederum von seiner unbändigen Lust an der Vielfalt.
Davon können sich nun auch die Besucherinnen und Besucher im Kunstmuseum Luzern ein Bild machen. Dieses zeigt mit «David Hockney – Moving Focus» die erste umfassende Retrospektive des Engländers in der Schweiz. Zu sehen sind Arbeiten von 1954 bis 2018: Acrylbilder, Lithografien, digitale Animationen, Landschaftsgemälde, Porträts und Stillleben.
Sein Handwerk lernt Hockney am Bradford College of Art und am Royal College of Art in London. Schon während seiner Zeit in der englischen Metropole löst er sich vom akademischen Malstil. Gemälde wie «Adhesiveness» oder «We Two Boys Together Clinging» aus den frühen 1960ern zeigen, wie er an der Grenze zwischen Abstraktion und Figuration pröbelt. Wie er die Beziehung zwischen einzelnen Körpern und Objekten auslotet. Oder das Private in seine Kunst einfliessen lässt, allem voran seine Homosexualität. Diese ist in Grossbritannien noch bis 1967 illegal. So zieht es Hockney Mitte des Jahrzehnts nach Los Angeles. Er ist begeistert vom einzigartigen Licht und dem freiheitlichen Lebensgefühl Kaliforniens. In satten Acrylfarben verwandelt er die modernistischen Villen und Swimmingpools von L. A. in Bühnenbilder für urbane Melancholie, knisternde Erotik und leise Beziehungsdramen.
Bilder bleiben voller Spannungen
Es entstehen Gemälde, die Hockney weltberühmt machen: «Man in Shower in Beverly Hills», die drei «Splash»-Ikonen und später «Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)».
Was seinen Gemälden über die Jahrzehnte gemeinsam bleibt: Sie sind voller Spannungen. Zwischen konkurrierenden Perspektiven, kunsthistorischen Verweisen oder verschiedenen Malstilen. So schwimmen naturalistisch gemalte Körper auch mal in Wasser, das in geometrischen Lichtspielen im Stil der Optischen Kunst tanzt. Spannung herrscht vor allem auch zwischen den Sujets. In seiner Reihe von Doppelporträts zeigt er die Porträtierten oft in Distanz zueinander. Wie in «My Parents» positioniert er eine Figur gerne dem Betrachter zugewandt, während die andere nur im Profil zu sehen ist. Welch eigenartig beunruhigende Stimmung so entsteht!
Nach Auslandjahren zurück in England
Seit den 1990ern widmet sich Hockney vermehrt der Landschaftsmalerei. Auch in dieser Phase ist verblüffend, welche Vielfalt an Bildern entsteht. Grüne Hügelzüge hält er in sanften Aquarellen fest. Getreidefelder in kräftig leuchtenden Ölbildern. Und andächtige Wälder in Monumentalgemälden wie «Bigger Trees near Warter», das in Luzern in seiner ganzen Breite von zwölf Metern zu sehen ist. Zahlreiche dieser Gemälde sind in der englischen Grafschaft Yorkshire entstanden. Nach L. A., Malibu und Paris erkundet der Maler vermehrt auch seine Heimat. Wer sagt, man müsse immer weit weg, um Neues zu entdecken? Hauptsache, man entdeckt es.
David Hockney – Moving Focus
Sa, 9.7.–So, 30.10. Kunstmuseum Luzern