Ausstellung: Der gewagte Blick
Das Kunsthaus Zürich taucht in die Zeit ein, in der sich die Fotografie endgültig als Medium der Kunst etablierte.
Inhalt
Kulturtipp 24/2019
Simon Knopf
Alles änderte sich mit der Documenta 1977 in Kassel. An der sechsten Ausgabe der wichtigsten Ausstellungs-Reihe für zeitgenössische Kunst stellte die Leitung erstmals Fotos gleich-rangig neben Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen aus. Diese Geste löste die traditionellen Hierarchien in der Kunst endgültig auf – die Fotografie war angekommen.
In diese kunsthistorisch bedeutende Phase taucht das Kunsthaus Zürich mit der Ausstellung «...
Alles änderte sich mit der Documenta 1977 in Kassel. An der sechsten Ausgabe der wichtigsten Ausstellungs-Reihe für zeitgenössische Kunst stellte die Leitung erstmals Fotos gleich-rangig neben Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen aus. Diese Geste löste die traditionellen Hierarchien in der Kunst endgültig auf – die Fotografie war angekommen.
In diese kunsthistorisch bedeutende Phase taucht das Kunsthaus Zürich mit der Ausstellung «Die neue Fotografie» ein. Werke von 20 nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern verdeutlichen, wie die Fotografie Anfang der 70er vom abbildenden Informations-Medium zum Träger neuer künstlerischer Ideen wird. Beeinflusst von Konzeptkunst und Pop Art, aber auch von gesellschaftlichen Umbrüchen, beginnen Künstler, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen; richten den Blick auf Orte des nüchternen Stadtlebens, banale Alltagsmomente und den menschlichen Körper.
Bildzyklus an kühlen Unorten in Zürich
Die US-Amerikanerin Marilyn Minter lichtete 1969 für ihre Serie «Coral Ridge Tower» ihre drogenabhängige Mutter ab. Minters feinfühlige Schwarz-Weiss-Bilder zeigen diese stets geschminkte Frau am Rand der Verwahrlosung – ein Gegenentwurf zu den omnipräsenten Fotos glamouröser Hollywood-Grössen.
Der englische Maler David Hockney wiederum vereint in den 1980ern einzelne Fotos banaler Alltagsszenen zu Collagen. Wie in «Gregory & Shinro on the Train», dieser multiperspektivischen und faszinierenden Momentaufnahme aus einem Vorortszug. Die Schweizer Künstlerin Cécile Wick schliesslich bringt unter dem Einfluss ihrer Theaterausbildung den eigenen Körper in ihre Arbeiten ein. Der Bildzyklus «Räume» zeigt sie als weisse Gestalt an kühlen Unorten in Zürich. Gespensterhaft wirken diese Fotos. Und laden doch ein, über den Platz des Menschen zwischen all dem Beton nachzudenken. Angesichts dieser Bilder bleibt es ein Rätsel, wie die künstlerische Kraft der Fotografie je angezweifelt werden konnte.
Die neue Fotografie. Umbruch und Aufbruch 1970–1990
Fr, 15.11.–So, 9.2. Kunsthaus Zürich