Auch unter den Kartografen gibt es Schelme. 2016 veröffentlichte das Bundesamt für Landestopografie einen Artikel über versteckte Zeichnungen, mit denen Mitarbeiter über die Jahre etwa Leerstellen auf Karten füllten: ein Murmeltier im Gletscher, ein Alpinist am Gipfelgrat.
So amüsant die Episode ist, so sehr regt sie auch zum Nachdenken an: Wie viel Objektivität, wie viel Weltsicht steckt in Karten? Die Künstlerin Esther Ernst gibt in ihren Karten ihre Umwelt gänzlich subjektiv wieder, indem sie topografische Details, Geschichte, Mythologie und persönliche Eindrücke mischt.
Ihre Arbeiten sind jetzt zusammen mit Werken von Françoise Caraco und Gianluca Trifilò in der Ausstellung «Mindmapping Art» im Kunsthaus Zofingen zu sehen. Der Titel der Schau verrät, was diese Schweizer Kunstschaffenden vereint: Alle drei bedienen sich in ihrer Praxis der Mindmap, einer visuellen Darstellung komplexer Gedanken, Ideen und Themengebiete. Faszinierend sind diese Werke, weil ihre dichten und verästelten Strukturen fast hypnotisierend wirken und weil sie Verborgenes aufdecken.
Filigrane Höhenlinien, verästelte Diagramme
Esther Ernst mischt in ihren Karten Perspektiven, Massstäbe und Techniken zu Collagen, die eine Unzahl von Spuren des Lebens eines Ortes widerspiegeln. «D’obe luftet’s (Mürren)» etwa vereint filigrane Höhenlinien, Zeichnungen von Pilzen, ein Gründerzeithotel als Bastelbogen und einen Dorfplan, auf dem die Wege rot und unterschiedlich dick eingezeichnet sind. Gibt hier die Künstlerin ihre eigenen Pfade wieder, oder gar die Touristenströme? Rot dominiert auch auf Gianluca Trifilòs installativer Arbeit «Mohnopol des Rausches».
Ein weit verästeltes Baumdiagramm überzieht Beipackzettel von Beruhigungs- und Betäubungsmitteln. In dieser und weiteren Arbeiten setzt sich Trifilò mit der Rolle von Medikamenten und Drogen in unserer Gesellschaft auseinander, stellt dabei zum Beispiel komplexe Verflechtungen zwischen dem Konsum von Ritalin und der Leistungsgesellschaft her.
Françoise Caraco befasst sich mit der komplexen Beziehung zwischen Erinnerung und Geschichtsschreibung. Sie zeigt in Zofingen eine multimediale Installation, für die sie vor Ort in der Vergangenheit der eigenen Familie recherchierte. Im Stadtarchiv und im Archiv des Turnvereins machte sie sich auf die Spuren ihrer Vorfahren jüdischer Herkunft. In deren Geschichte gibt es auch Brüche. Ob die Besucher diese aushalten? Nicht jede Leerstelle lässt sich mit einem Murmeltier füllen.
Mindmapping Art
Sa, 1.4.–So, 18.6.
Kunsthaus Zofingen AG