AUSSTELLUNG Begegnung zweier Heimatlosen
Das Berner Klee-Zentrum zeigt die Gemeinsamkeiten und Gegensätze der beiden Expressionisten Paul Klee und Alexej Jawlensky in einer Ausstellung – die Schau zweier grossartiger Kämpfer.
Inhalt
Kulturtipp 04/2013
Rolf Hürzeler
Turandot – die Prinzessin von China: Der russische Künstler Alexej Jawlensky zeigt die legendäre Adlige aus der östlichen Mythenwelt als eine Bürgerliche. Ausdrucksstark ihr Gesicht zwar, exotisch geprägt, aber keinesfalls entrückt. Man würde die Frau bei einer Begegnung ohne Hemmungen ansprechen.
Das Porträt ist in der neuen Ausstellung der beiden Künstler Paul Klee (1879–1940) und Alexej Jawlensky (1864–1941) im Berner Kle...
Turandot – die Prinzessin von China: Der russische Künstler Alexej Jawlensky zeigt die legendäre Adlige aus der östlichen Mythenwelt als eine Bürgerliche. Ausdrucksstark ihr Gesicht zwar, exotisch geprägt, aber keinesfalls entrückt. Man würde die Frau bei einer Begegnung ohne Hemmungen ansprechen.
Das Porträt ist in der neuen Ausstellung der beiden Künstler Paul Klee (1879–1940) und Alexej Jawlensky (1864–1941) im Berner Klee-Zentrum zu sehen. Es ist 1912 entstanden, zu einer Zeit des Umbruchs im Leben beider Künstler – und als sie sich in München begegneten.
Bildertausch
Die Biografien dieser beiden Heimatlosen lesen sich wie Illustrationen der Geschichte der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Die Kunst trieb Klee und Jawlensky um, ebenso wie die politische Bedrohung – und oftmals materielle Not. Das Berner Klee-Zentrum dokumentiert nun die «Künstlerfreundschaft» in einer neuen Ausstellung.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg stand Alexej Jawlensky inmitten einer heftigen künstlerischen wie weltanschaulichen Auseinandersetzung: Die von ihm mit initiierte Neue Künstlervereinigung München hatte sich im Jahr zuvor mit Jawlenskys Freund Wassily Kandinsky angelegt. Jawlensky verliess die Vereinigung nach weiteren Querelen und wandte sich der fortschrittlichen Redaktion des Almanachs «Der Blaue Reiter» zu – in diesem Kreis traf er Klee.
Mit keinem andern Künstler habe Alexej Jawlensky so viele Bilder ausgetauscht wie mit Paul Klee, heisst es im Einführungstext zur Berner Ausstellung – nämlich je 15 Werke über etliche Jahre. Die künstlerische Entwicklung der beiden weist dennoch nicht viele Gemeinsamkeiten auf – ausser den Bruchstellen, die sich in fast allen Maler-Biografien finden. Die Nachwelt erinnert sich vor allem an die Porträts von Alexej Jawlensky, auch wenn er zahlreiche Landschaften und Stillleben hinterliess. Und bei Paul Klee bleiben die raffinierten Abstraktionen in ihrer farblichen Verspieltheit unvergessen.
Die künstlerischen Wege von Klee und Jawlensky kreuzten sich noch zwei Mal an entscheidenden Punkten in ihrem Leben: Ende März 1924 gründeten sie mit Lyonel Feininger und Wassily Kandinsky in Weimar die Künstlergruppe «Die Blauen Vier», in Anlehnung an den «Blauen Reiter». Die Galeristin, Mäzenin und zeitweilige Gefährtin Jawlenskys, Galka Scheyer, war für das Geschäftliche zuständig: Sie zog bis in die Nachkriegszeit hinein ein geradezu professionelles Management auf, um die vier Künstler zu «vermarkten», wie man heute sagen würde. Weitsichtig wie sie
war, erkannte sie beispielsweise schnell das Potenzial des US-amerikanischen Marktes, wo sie die Gruppe zum Erfolg führte.
Im Sommer 1937 trafen sich Jawlensky und Klee in München zwar nicht persönlich, Klee lebte bereits im Schweizer Exil. Trotzdem werden sie sich in dieser Zeit gedanklich sehr nahe gestanden sein. Denn einzelne ihrer Werke waren in der berüchtigten Ausstellung «Entartete Kunst» vertreten.
Verachtung
Das war die Propaganda-Schau der Nationalsozialisten, die deren abstruses Kunstverständnis entlarvte. Die Ausstellung ging in der Folge auf eine Tour quer durch Deutschland. Und sie bildete den Auftakt der Machthaber, um unzählige Werke zeitgenössischer Künstler systematisch zu beschlagnahmen. Ironie des Schicksals: Erst im Jahr 1934 war der Russe Jawlensky deutscher Staatsbürger geworden. Sein Antrag auf Einbürgerung kam durch, weil er Mitglied zahlreicher deutscher Künstlervereinigungen war. Jawlensky erfuhr jedoch nur Ablehnung durch die Machthaber. Er litt in den späten 30ern auch unter zahlreichen Gebresten und verstarb 1941.
Der Russe hatte mit Deutschland als Wahlheimat eine schlechte Entscheidung getroffen. Denn sein zweites Vaterland behandelte ihn verächtlich. Eigentlich sollte er als junger Mann unter dem Regime der Zaren Berufsoffizier werden. Doch die Kunst sagte ihm mehr zu als das Kasernenleben: Über seine Mäzenin und Geliebte Marianne von Weref-kin kam er Ende des 19. Jahrhunderts nach München, blieb in Deutschland aber nur Geduldeter. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste er das Land als Ausländer binnen 48 Stunden verlassen. Er fand in der Schweiz Unterkunft, in Saint Prex am Genfersee, in Zürich und im Tessin – bis er sich nach dem Krieg wieder im Künstlermilieu von München bewegen durfte.
Ähnlich wie Paul Klee fand Alexej Jawlensky nirgends eine Heimat, wo ihm die Anerkennung zugekommen wäre, die er verdiente. Die Nazis verfolgten Klee ebenso. Auch die Schweizer Behörden taten sich mit dem deutschen Staatsbürger Klee schwer. Er durfte wie Jawlensky nirgends Wurzeln schlagen und blieb ein Heimatloser.