Witze gibt es über jeden Beruf, doch solche über Architekten scheinen besonders beliebt zu sein. Kürzlich kursierte im Internet einer jener Bild-Text-Witze, genannt Meme, die den mangelnden Sinn fürs Praktische von Architekten mokieren. Zu sehen war eine scheinbar sinnlose Treppe aussen an einem Hochhaus.
Noch besser als der eigentliche Witz war dabei die Tatsache, dass das Bild nicht Architektenpfusch, sondern das Kunstwerk «Beautiful Steps #2» am Bieler Kongresshausturm zeigte. Was eignet sich besser für einen Architektenwitz als eine Installation von Lang/Baumann, einem Schweizer Künstlerpaar, das unsere gebaute Umwelt mit viel Schalk und Scharfsinn analysiert. Sabina Lang und Daniel Baumann bespielen die Welt mittlerweile seit über 30 Jahren mit architektonischen Interventionen, aufblasbaren Installationen, Wand- und Bodenmalereien.
Im Zeughaus im ausserrhodischen Teufen sind nun erstmals Modelle zu sehen, die das Duo aus Burgdorf jeweils zu Beginn eines Projektes fertigt. Die Ausstellung «96 Modelle» ist sowohl Würdigung des Modellbaus als auch Retrospektive. Der Blick auf eine Karriere als Aussicht auf ein kurioses Miniaturdorf.
Kühne Treppen und Leitern in den Untergrund
Und was es da alles zu sehen gibt! Für ihre Serie «Beautiful Steps» lassen Lang/Baumann kühne Treppen und Leitern in den Untergrund, in den Himmel oder vor Türen an den unmöglichsten Orten wachsen. Diese Stiegen ins Nichts weiten auf wunderbare Art den öffentlichen Raum um imaginierte Zonen aus. Für die Serie «Beautiful Tubes» wiederum bauen Lang/Baumann neue Strukturen in bereits vorhandene Räume.
Im Haus für Kunst Uri etwa war es ein labyrinthartiger Holztunnel, der Besucher durchs Museum kraxeln liess. Einen Blick auf die Ausstellungssäle gab es nicht, dafür einen Anstoss, sich Gedanken zur Bedeutung der Institution Museum zu machen. Immer wieder meint man in den Arbeiten von Lang/Baumann einen utopischen, bisweilen gar aufwieglerischen Geist zu spüren, der sich auf Architekturexperimente der 1960er- und 1970erJahre zurückverfolgen lässt.
Damals publizierte das britische Kollektiv Archigram bunte Entwürfe von beweglichen Städten und Modulbauten. Und Architekten wie der Franzose JeanLouis Chanéac oder der Schweizer Marcel Lachat stiessen Diskussionen über städtische Lebensräume an, indem sie kugelförmige Wohnkapseln zur Erweiterung von Stadtwohnungen entwarfen. Wie Reinkarnationen dieser «Parasitären Zellen» und «Piraten-Blasen» wirken die Arbeiten der «Comfort»-Serie von Lang/Baumann: Ausstülpungen, Blasen und Wucherungen, die bestehende Architektur ergänzen oder gar infrage stellen.
An die Utopien und die Buntheit der 1960er-Jahre erinnern nicht zuletzt auch die psychedelischen Strassen- und Wandbilder des Duos. Ihre geometrischen Muster brechen die Struktur von ganzen Strassenzügen auf. Wenn das mal keine Aufrufe sind, die gewohnte Umgebung aus neuer Perspektive zu sehen.
Installationen, die nachhallen
Dass die meisten dieser Interventionen nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden, ist in den Augen von Sabina Lang besonders reizvoll. Sie möge den Gedanken, dass die Installationen in der Erinnerung der Betrachter nachhallen, sagte Lang in einem Interview. Und wie sie nachhallen! Und sei es nur als leises Kichern über einen vorhersehbaren Witz im Internet.
96 Modelle – Lang/Baumann
Sa, 1.7.–So, 1.10.
Zeughaus Teufen AR