Ab den 1950ern bricht in Frankreich eine Revolution aus, deren Kämpfer Schweizer Namen tragen. Adrian Frutiger, Jean Widmer, Anna Monika Jost und Peter Knapp. Diese jungen Grafikdesigner mischen in Paris die Welt der Werbung, Museen und Mode auf.
Peter Knapp etwa wird als Artdirector und Fotograf der Modezeitschrift «Elle» Teil eines Umsturzes, der weit über die Heftseiten hinausgeht. Rund 700 Fotos und allerlei Dokumente aus seiner Zeit bei «Elle» vermachte Peter Knapp vor einigen Jahren der Fotostiftung Schweiz in Winterthur.
Daraus ist nun die Ausstellung «Peter Knapp – Mon temps» entstanden. Sie zeigt einen Ausschnitt aus dem OEuvre des heute 91-jährigen Grafikers und Künstlers. Das Material aus der Zeit von 1960 bis 1985 umfasst Einzelfotos und Bildserien, zahlreiche Ausgaben der «Elle» und einige seiner sogenannten Chemins de fer, seiner Seitenpläne. Knapp und die anderen Schweizer Gestalter, die es damals nach Paris verschlägt, kommen meist von den Kunstgewerbeschulen in Zürich und Basel.
Mit im Gepäck haben sie die Designphilosophien des Bauhauses: Reduktion und Präzision, exakte Farbenlehre und eine generalistische Berufsauffassung. Welch frischer Ansatz! Paris ist zwar eine Kulturmetropole, ihre Designszene aber gilt als verstaubt: Schnörkelschriften, handgemalte Plakate, steife Illustrationen.
Peter Knapp verbannt die Zeichnung aus der «Elle» und setzt voll auf die Fotografie. Er wirft Layoutraster über Bord und arrangiert Bilder und Texte frei auf Doppelseiten. Mit dem Chemin de fer hält er sein Team dazu an, das Heft als Gesamtwerk zu verstehen.
So entstehen zum Beispiel Ausgaben, die von der ersten bis zur letzten Seite dem Thema Schwarz-Weiss gewidmet sind. «Veröffentlicht man jede Woche ein Heft, sollte man die Leserinnen auch jede Woche überraschen», sagt Knapp beim Ausstellungsrundgang kurz vor der Eröffnung.
Weg mit der steifen Haute Couture
Nebst einigen solchen Chemins de fer räumt die Schau in Winterthur vor allem Peter Knapps Fotos viel Raum ein. Während seine Seitenpläne Zeugen seines gestalterischen Umbruchs sind, stehen seine Bilder für eine noch viel bedeutendere Revolution der 1960er-Jahre. Peter Knapps damalige Vorgesetzte, die progressive Chefredakteurin Hélène Lazareff, sieht in der «Elle» mehr als nur eine Modezeitschrift. Ihr Heft soll nichts weniger als die Emanzipation vorantreiben. Also weg mit der steifen Haute Couture, her mit funktionaler Prêt-à-porter-Mode für die neue Frau. In Knapps Fotos ist sie frech, unabhängig und voller Energie. Sie geht mit bestimmtem Schritt durch die Strassen, springt keck Treppen hoch und balanciert unbekümmert auf dem Velo. «Mit diesen Fotos schlage ich nicht nur vor, wie man diese Mode tragen soll», sagt Knapp. «Ich zeige, wie sich die Frau darin bewegen kann.»
Raus aus der Modefotografie
Verspielt und voller Bewegung sind die Fotos auch dort, wo der Künstler Peter Knapp durchdringt. Er setzt seine Modelle à la Bauhaus als bunte Grafikelemente ein, positioniert sie in Collagen, lässt sie als Astronautinnen schweben und in Doppelbelichtungen flüchtig werden.
Auch hier steht die Dynamik für ein Lebensgefühl, das von neuen Rollenbildern geprägt ist. Irgendwann steigt Knapp dennoch aus der Modefotografie aus. «In der Mode muss man immer idealisieren», erklärt er in der Ausstellung. «Nach über 20 Jahren hat mich das erdrückt, ich wollte als Künstler frei sein.»
Doch Knapps Einfluss – wie der aller Schweizer Gestalter, die damals in Paris wirkten – ist bis heute spürbar. Man schaue sich nur Modezeitschriften an. Man schaue sich unsere Gesellschaft an. Alles bewegt sich.
Peter Knapp – Mon temps
Bis So, 12.2.
Fotostiftung Schweiz Winterthur ZH