Ein farbintensives Feuerwerk, das den Betrachter in seinen Bann zieht. Art brut, möchte man meinen. Aber dahinter steckt mehr als das: Die ausgeklügelte Komposition, die sich dem Europäer nicht zwingend erschliesst, heisst Nyangatja Watarru.
Ganz anders das Känguru, das zwar abstrahiert ist, aber doch gegenständlich bleibt. Diese beiden Werke decken das Spektrum der Kunst der australischen Einheimischen ab, die in Europa wenig zur Kenntnis genommen wird.
Bedeutungsgeladene Symbolsprache
Die im Wallis lebende Französin Bérengère Primat hat ein Faible für die Kunst der Aborigines, der Urbevölkerung des Fünften Kontinents. Das aktuelle Kunstschaffen dieser Gemeinschaft steht bis heute in der Tradition einer 40 000 Jahre alten Kultur.
Nyangatja Watarru? Die Künstlerin Beryl Jimmy erklärt das so: «Watarru ist ein Gebiet in Südaustralien. Hier ziehen die Menschen durch die Gegend auf der steten Suche nach Wasser; es braucht besondere Fähigkeiten, um diese Quellen zu entdecken.»
Erst in den 1930ern fanden die indigenen Künstler die Aufmerksamkeit des eurozentrierten Marktes. Heute gilt die Malerei dieser Einheimischen als eigenständiges Genre mit einer weltweiten Ausstrahlung. «Die Kunst ist in weiten Teilen des Mainstreams angekommen», sagt Kurator und Aborigines-Experte Georges Petitjean.
Offenkundig sind die Bezüge zu den ursprünglichen Kunstformen, wie sie noch heute zu sehen sind: Traditionelle Höhlen- und Felszeichnungen, die zu kühnen Vorstellungen über eine schwer verständliche Vergangenheit einladen. Die Aborigines pflegten eine bedeutungsgeladene Symbolsprache als eine Art Kommunikation über die Jahrhunderte und die Distanzen hinweg.
Späte Inspiration für europäische Malerei
Die Walliser Fondation Pierre Arnaud in Lens bei Crans-Montana stellt nun eine grossartige Schau von mehr als 100 Malereien seit 1960 vor. Sie dokumentiert die Spannweite dieser Werke, von den abgelegen lebenden Menschen in der Kimberley-Region im Nordwesten des Landes bis zum gestalterischen Zentrum der künstlerischen Tradition, Tausende von Kilometern entfernt im Arnhemland, wie die Kolonialisten die Nordspitze des Kontinents nannten. Trotz grosser räumlicher Distanz finden sich gemeinsame Motive wie der Regenbogen, Kreise oder Schlangen. Unterschiedlich ist allerdings die Lesart der Zeichen. So kann ein Kreis eine Feuerstelle symbolisieren oder eine Quelle.
Die Museumsverantwortlichen erinnern daran, dass die indigene Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Kennern in der Schweiz erstmals zur Kenntnis genommen wurde. Künstler wie Paul Klee erkannten später die kreative Kraft dieser Werke und liessen sich davon inspirieren.
Art Aborigines
Territoire du rêve
Bis So, 20.5.
Fondation Pierre Arnaud Lens/Crans-Montana VS