Falls Sie eine Firma besitzen und Abläufe optimieren möchten: Engagieren Sie nicht Mika Rottenberg als Beraterin. Denn die Fertigungsanlagen der Video- und Installationskünstlerin sind etwas kompliziert. Endlos werden Dinge herumbugsiert, geknetet und eingestampft. Sinnlos wird Zeugs geschmolzen, verdampft und eingekocht. Mika Rottenbergs Kunst muss Konzernchefs ein Graus sein.
Ins Museum Tinguely in Basel passen sie auf jeden Fall ausgezeichnet. Dieses widmet der 48-jährigen Künstlerin eine Überblicksschau, die zentrale Videoarbeiten sowie kinetische Skulpturen und hybride Installationen zeigt. Was die gebürtige Argentinierin in den letzten 20 Jahren schuf, steht klar im Geist von Jean Tinguely. Waren seine Apparaturen eine poetische Antwort aufs Maschinenzeitalter, bezieht Mika Rottenberg sich auf die Internet-Ära.
Unermüdlich kaufen wir Konsumgüter per Mausklick – wo und unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden, fragen wir uns kaum. Mika Rottenberg macht die Produktion sichtbar, indem sie unnötig komplizierte Prozesse inszeniert. Im Video «Dough» reichen Arbeiterinnen Teig erst umständlich über Förderbänder und durch Schächte, bis er endlich abgepackt wird. Doch es fallen einem sogleich auch die Arbeitsbedingungen in dieser fantastischen Fabrik auf: Die vorwiegend weiblichen Arbeitskräfte schuften in klaustrophobischen Kabäuschen und trostlosen Räumen.
Niesen und Schwitzen, Haare und Nägel
Im grotesken «No Nose Knows» wird die Ausbeutung gar körperlich: Hier setzt man Muscheln Fremdkörper ein, damit sie Perlen produzieren, dort muss sich eine Dame im Deuxpièces wiederholt Blütenstaub aussetzen, um Nudelgerichte auf den Tisch niesen zu können.
Niesen und Schwitzen, Haare und Fingernägel – immer wieder integriert Rottenberg körperliche Prozesse in ihre fiktiven Verfahren, verkehrt Ekliges in Nützliches. Überhaupt hebt sie gerne Hierarchien auf. In der Videoarbeit «Sneeze» sind es ausgerechnet die Herren in den Anzügen, die ständig Kaninchen, Glühbirnen und Steaks niesen müssen. Ihre raumgreifende Installation «Rottenbar» wiederum fertigte sie aus Plastikabfall und den geschwungenen Ästen einer invasiven Kletterpflanze.
Schädlich, toxisch, bezaubernd schön. In «Cosmic Generator» und «Spaghetti Blockchain» verbinden Tunnelsysteme chinesische Markthallen mit mexikanischen Grenzstädten, seltsame Fabriken mit Kartofeläckern. Die verkürzten Distanzen spiegeln die Machtgefälle in der Globalisierung: Konsumgüter reisen ganz einfach um die Erde. Ein Teil der Menschheit steckt jedoch in Fabriken und an Grenzzäunen fest.
Eine Skulptur via Pedale selber antreiben
Es hat etwas Gewinnendes, wie Mika Rottenberg in ihrer Kunst kindliche Albernheiten mit Kapitalismuskritik verbindet. Die kinetische Skulptur «#33» etwa treibt der Besucher via Pedale selber an. Ein halb leerer Plastikbecher hebt und senkt sich. Ein Haarknoten und eine Bambuspflanze drehen sich. Und ein Zeigfinger gleitet hin und her, deutet unaufhörlich in Richtung der in die Pedalen-Tretenden. Wir sind es, die das System am Laufen halten.
Mika Rottenberg – Antimatter Factory
Bis So, 3.11.
Museum Tinguely Basel