Der Blick der Kamera richtet sich auf die Wörterbücher: arabisch, albanisch, türkisch und so weiter. Die Jugendlichen stammen aus aller Herren Länder, aus dem Balkan, aus Afghanistan, Eritrea. Jeder hat seine Geschichte, die im Film erzählt wird. Aus purer Not haben sie ihre Heimat verlassen, auf zum Teil abenteuerlichen Wegen gelangten sie in die Schweiz. Dieses «Neuland» bedeutet für sie Hoffnung, die Aussicht auf ein Berufsleben.
Christian Zingg, ein Endfünfziger, ist der Lehrer der Basler Integrations- und Berufswahlklassen. Ziel der zweijährigen Schulzeit ist es, vor allem die Deutschkenntnisse zu verbessern und die Schüler zu befähigen, eine Lehrstelle antreten zu können. Zingg macht einen strengen, aber geduldigen Eindruck. Seinen Schützlingen gesteht er: «Ich bin eigentlich Gymnasiallehrer. Da müsste ich weniger arbeiten und würde mehr verdienen. Aber dies hier macht mir viel mehr Spass.»
Man übt im Schulzimmer Telefonieren: Wie das geht, wenn man sich für eine Stelle bewirbt, wenn man anruft, um nachzufragen.
Eshanullah aus Afghanistan arbeitet nebenbei. Eben ist sein Asylantrag abgelehnt worden. Dabei hat er sich von der Schweiz so viel erhofft. 20 000 Dollar hat das Fluchtgeld gekostet. 8000 muss er noch zurückzahlen. Wenn er das nicht schafft, nehmen die Darlehensgeber den Eltern daheim in Afghanistan das Land weg. Beim Telefongespräch ermahnt ihn sein Vater: «Mach etwas aus deinem Leben.» Eshanullah absolviert eine Schnupperwoche in einer Gärtnerei, dann schmeisst er die Schule und geht zurück in die Restaurantküche. Um nach drei Wochen wieder in den Unterricht zu kommen. Er erhält nach einer Einsprache die vorläufige Aufenthaltsbewilligung.
Das Arbeitsleben wartet
Nazlije ist Albanerin aus Serbien und nach dem Tod der Mutter mit ihrem kleinen Bruder Ismail in die Schweiz gereist. Sie will Primarlehrerin werden. Dafür, Lehrer Zingg sagt es ihr offen, sei ihr Deutsch zu wenig gut – also eine Lehre. Fleissig werden Bewerbungsdossiers verschickt. Doch es hagelt Absagen. Sie erfährt, dass es 140 Bewerbungen gab für die Lehre, die sie interessiert. «Es sieht schlecht aus.» Bis sie auf einer Liste nachrücken kann und es als Assistentin Gesundheit und Soziales probieren darf. Sie macht es gut und wird bei der Spitex genommen.
Oder Ismail: Er hat eine Lehrstelle bei einer Sanitärfirma bekommen. Sein Chef lässt ihn und seinen Kumpel Hossein in seiner Clique als Laternenzieher an der Fasnacht mitmachen.
Nach dem Ende der zweijährigen Schulzeit sitzen alle im Restaurant. Das Arbeitsleben wartet auf sie. Lehrer Zingg wird gelobt: «Wir lieben Sie.» Zum Abschied gibts herzliche Umarmungen.
«Neuland» ist bereits mit mehreren Festivalpreisen ausgezeichnet worden, unter anderem als bester deutschsprachiger Dokumentarfilm am Zurich Film Festival.