Blutrot leuchtet es von den Wänden und von der Tribüne. In diesem «Höllentor zum Paradies», das an ein Szenario aus einem David-Lynch-Film erinnert, siedelt Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson seine Inszenierung an. «Viel Lärm um nichts» ist ein Verwirrspiel um zwei Liebespaare, wie es im Buche steht: Die Verlobten Claudio und Hero werden durch eine fiese List gegeneinander aufgebracht und finden erst nach vielen Hindernissen zueinander. Die beiden Vollblut-Singles Beatrice und Benedict hingegen sind sich spinnefeind und führen spitzzüngige Wortgefechte – bis sie eine Verkupplungsaktion doch noch zusammenbringt.
Menschliche Abgründe
Doch wie der blutrote Hintergrund erahnen lässt, wird der Regisseur nicht nur die komödiantischen Aspekte des Stücks, sondern auch die menschlichen Abgründe erkunden. Schliesslich spielt das Stück aus dem Jahr 1599 nach dem Krieg, als Prinz Don Pedro als Sieger gegen seinen Bruder Don John aus einer Schlacht zurückkehrt und einen Monat in Messina verweilen will.
Beim Probenbesuch ist die Anfangsszene in vollem Gang: Gouverneur Leonato (Christian Beppo Peters) ist in heller Aufregung. Die Ankunft des mächtigen Don Pedro (André Meyer) in Messina steht bevor. Es gilt, einen möglichst guten Eindruck zu machen. Der lang geplante feierliche Willkommensgruss misslingt jedoch gründlich: Zwischen all den eintreffenden Kriegsmännern erkennt Leonato den Prinzen nicht. Just der Mann, den Leonato als Schmarotzer ausmacht und dem er verächtlich vor die Füsse spuckt, entpuppt sich als Don Pedro. Die Verwirrung ist komplett.
Spiel mit der Vorlage
Thorleifur Örn Arnarsson, der an renommierten Theaterhäusern bereits einige bildstarke Shakespeare-Inszenierungen aufgeführt hat, spielt lustvoll mit der Stückvorlage. Er führt etwa die ungleichen Brüder Don Pedro und Don John zu einer Figur zusammen: «Gut und Böse sind zwei Seiten derselben Medaille. Und bei genauem Hinsehen verhalten sich die beiden erstaunlich ähnlich.» Man könne ihren Krieg auch als Machtgeplänkel zweier Gelangweilter sehen, die den Krieg zur Unterhaltung führen, so wie sie als Kinder mit Fäusten gegeneinander gekämpft haben. Da kümmet es sie nicht, dass dabei einige Unschuldige getötet werden. Umgekommen sei «niemand von Bedeutung», also «bloss» ein paar Bauern, heisst es abfällig.
Arnarssons lustvolles Ausloten des Textes springt auf die Schauspieler über. Beim Probenbesuch im Klosterhof improvisieren die Schauspieler und probieren eine einzelne Szene auf verschiedene Arten aus. Besonders die Burgtheater-Schauspielerin Sarah Viktoria Frick in der Rolle der Beatrice läuft zur Hochform auf. Mit allen erdenklichen Massnahmen versucht sie die brave Hero (Nadia Migdal) zu Unsinn und unflätigem Verhalten anzustiften. Mit mässigem Erfolg allerdings, denn Hero wird von ihrem Gouverneursvater dazu angehalten, ihre Rolle als braves Töchterchen zu erfüllen. Dazu gehört auch, nett zu lächeln, als Don Pedro sie wie ein Pferd begutachtet.
Nebst dem Thema der Macht interessiert Arnarsson am Stück der Geschlechterkampf. «Shakespeare stellt ein männliches System dar. Eine Frau muss sich so verhalten, wie es die Gesellschaft vorgibt – Hero wird als Verkaufsware gehandelt, während Beatrices Widerstand gegen die Heirat reine Überlebensstrategie ist. Nur ohne Mann kann sie frei bleiben.» Diese Freiheit verteidigt Beatrice vehement: «Lieber wollt ich meinen Hund eine Krähe anbellen hören, als einen Mann schwören, dass er mich liebe», sagt sie zu Benedict, dem sie in einer Art Hassliebe verbunden ist.
Tragödie und Komödie liegen bei Shakespeare stets nahe beieinander. Was auf komödiantische Weise rüberkommt, entspringt oft der inneren Not seiner Figuren. «Shakespeare ist heute noch so populär, weil er menschliche Zwiespälte, das Dasein an sich, widerspiegelt», ist Arnarsson überzeugt. «Die Gesellschafts- und Machtstrukturen sind heutzutage zwar komplexer als zu Adelszeiten. Aber die Menschen funktionieren immer noch ähnlich.»
Im «Versuchslabor»
Für seine Inszenierung hat der Regisseur aus Reykjavik ein eingespieltes internationales Team aus Island, Deutschland, Holland, Frankreich, Liechtenstein und der Schweiz um sich versammelt. Aus dem Aargau ist ein Kinderchor mit dabei. Die besondere Atmosphäre des Klosterhofs in Wettingen eigne sich gut für eine Shakespeare-Komödie, meint Arnarsson. «Bereits zu Shakespeare-Zeiten wurden seine Stücke Open-Air und mitten unter Menschen gespielt. Auch unsere Inszenierung wird kein Guckkasten-Theater, das Publikum ist Teil davon.» Und so befinden sich die Zuschauer selbst in einer Art «Versuchslabor der menschlichen Seele» und beobachten, wie die shakespeareschen Figuren um ihr Schicksal ringen.
«Viel Lärm um nichts»
Premiere: Di, 8.7., 20.15
Klosterhof Wettingen AG