ATTWENGER Moderne Volkstümlichkeit mit Grips
Das unvergleichliche österreichische Duo Attwenger präsentiert mit «Flux» seinen siebten Plattenstreich und besucht die Schweiz konzertant.
Inhalt
Kulturtipp 12/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Mehr als 20 Jahre ist es her, da starteten die beiden Oberösterreicher Hans-Peter Falkner und Markus Binder ihr unvergleichliches Unternehmen namens Attwenger. Die Platten trugen von Anfang an griffige, einsilbige Titel: «Most», «Pflug», «Luft», «Sun», «Song», «Dog». Beim allerneusten siebten Streich ist das nicht anders: «Flux», das tönt nach Kunst. Die stilisierte Trapez-Zeichnung auf dem Cover ver...
Mehr als 20 Jahre ist es her, da starteten die beiden Oberösterreicher Hans-Peter Falkner und Markus Binder ihr unvergleichliches Unternehmen namens Attwenger. Die Platten trugen von Anfang an griffige, einsilbige Titel: «Most», «Pflug», «Luft», «Sun», «Song», «Dog». Beim allerneusten siebten Streich ist das nicht anders: «Flux», das tönt nach Kunst. Die stilisierte Trapez-Zeichnung auf dem Cover verweist allerdings helfend darauf, dass «Flux» eine phonetische Variante von «flugs» sein dürfte.
Ohne Scheuklappen
Schon am Anfang liessen die beiden aufhorchen, als sie eine Art minimalistischen Alpenpunk zelebrierten: Ein Schlagzeug, eine Ziehharmonika, die über einen Verzerrer gespielt werden konnte, gescheite Texte. Im Lauf der Jahre haben Attwenger ihr Tun stetig variiert, verfeinert, sich nach weiteren Stilen umgehört und sie flugs mit eigenen fusioniert.
Da kann es in Richtung
Hip-Hop gehen, handgemachter Drum ’n’ Bass wird gespielt, und immer bleibt, nicht nur wegen des Akkordeons, das Volkstümliche grundlegend. Berührungsängste und Scheuklappen kennen Attwenger keine. Unverkrampft ihr Verhältnis zur Tradition, zur eigenen, nahen sowieso (Hans-Peter Falkner spielt noch heute in der Familienkapelle).
Was Attwenger darstellen, ist eine «Zwei-Mann-Walze, die allein mit Akkordeon, Schlagzeug und Gesang Volksmusik mit Hip-Hop mit Blues mit Punk mit Ernst Jandl versöhnt». Schöner kann man es fast nicht formulieren, was «Die Zeit» über die Oberösterreicher jüngst preisend schrieb. Oder auch so: «Sie sind Jandl, Artmann und Kraus – nur zum Tanzen.» («Salzburger Nachrichten»).
Die Güte der Textarbeit
Da sind die Texte, moderne Mundartlyrik, die der Wiener Schule alle Ehre gemacht hätte. Man muss genau hinhören oder die Texte im CD-Booklet mitlesen (mehrmals), dann kommt man der Güte der attwengerschen Textarbeit auf die Spur.
Auf «Flux» ist das Musikalische ausgeweitet auf vermehrt Amerikanisches (Country, Soul, Swing, Blues). Und auch textlich. Da wird Dialekt manchmal im selben Satz mit Englisch gemischt – «foa ned midn bus walk a mile in my shoes». Es darf auch mal «technikkritisch» werden. Oder zur Mediengesellschaft ist in wenigen Worten viel gesagt: «wos san news und wos is wissen». Man kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie sich auf «Flux» auch mal unbescheiden selber loben: «one attwenger waas enger / owa mia bleibn eh nu lenga».
Vor vier Jahren, beim Akkordeonfestival in Zug, liefen bei Attwenger die zugespielten Töne noch ganz altmodisch ab Minidisc-Gerät. Inzwischen hat der stets im kurzhosigen Turntenü auftretende Schlagzeuger und Sänger Binder einen Laptop, über den er die Samples abspielt. Quetschen-Mann Falkner hat die Effekte erweitert und kann dank Midi-Schnittstelle aus seinem Instrument vielfältige Sounds zaubern. Wie stoisch sie ihre bewegende Tanzmusik mit viel Groove live vermitteln, ist ein Erlebnis-Effekt extra. Das muss man sich am besten an einem Konzert anhören und ansehen gehen.
[CD]
Attwenger
Flux
(Trikont 2011).
[/CD]