Roman von Olli Jalonen: Die Himmelskugel
Die Sonne ist ein Stern unter Sternen: «Sie kreist nicht und dreht sich nicht, die Erde unter uns dreht sich.» Diese Erkenntnis gibt der englische Astronom Edmond Halley (1656–1742) in Olli Jalonens Roman «Die Himmelskugel» dem achtjährigen Angus weiter. Die beiden begegnen sich im Jahr 1677, als Halley die Insel St. Helena im Südatlantik erkundet, wo Angus mit seiner Familie lebt. Der Junge ist wild entschlossen, die Beobachtungsaufgaben des Wissenschafters weiterzuführen, auch nachdem dieser längst zurück in London ist.
Von dieser fiktionalen Begegnung schreibt der finnische Schriftsteller Olli Jalonen in seinem neuen Roman. Die Geschichte spielt in einer Zeit, als die Religion das Leben der Menschen prägte, genauso wie verbreiteter Aberglaube. Naturwissenschaftliche Einsichten kamen erst allmählich auf – dank Forschern wie Edmond Halley, der sich unter anderem mit der Laufbahnberechnung des Halleyschen Kometen (siehe Bild oben) einen Namen gemacht hat.
Der grosse Meister und sein Gehilfe
Autor Jalonen setzt den jungen Angus als klugen Ich-Erzähler ein und folgt dessen kindlicher Wahrnehmung. Der Knabe wächst bei seiner Mutter und ihrem Geliebten, dem gottesfürchtigen «Herr Pastor», auf.
Allein diese Konstellation sorgt für rote Köpfe bei den Inselbewohnern, die an Geisterfrauen glauben oder einer der unzähligen Sekten jener Zeit angehören. Kommt hinzu, dassder königliche Gouverneur John Blackmore, historisch verbürgt, ein diktatorisches Regime aufgezogen hat, das immer wieder zu Aufständen führt.
Diese Umstände bringen den Pastor dazu, die Missstände auf der Insel in einem Pamphlet niederzuschreiben: «… die Böswilligkeit, Ungerechtigkeit und alles Trachten nach dem eigenen Vorteil des Gouverneurs.» Da der Pastor die Zensur fürchtet, wird Angus mit dem in seine Kleidung eingenähten Schriftstück als Bote nach London geschickt – als blinder Passagier auf einem lecken Sklavenschiff.
In der ihm fremden Stadt an der Themse findet Angus im Haus von Edmond Halley Unterschlupf. Obwohl die Ehefrau des Sternenforschers nicht sehr erfreut ist über den jungen Gast. Denn Halley bandelte während seiner Zeit auf St. Helena mit Angus’ Mutter und Schwester an; er zeugte Kinder mit ihnen. Angus wird Halleys Gehilfe, und beide finden zu einer erspriesslichen Zusammenarbeit. Jalonen nimmt sich der weiteren Lebensgeschichte von Angus in einem nachfolgenden Buch an, das allerdings noch nicht auf Deutsch erschienen ist.
«Die Himmelskugel» ist ein aussergewöhnlicher Roman. Jalonen verbindet die fiktionale Entwicklungsgeschichte des jungen Angus anrührend mit einer Schnittstelle der abendländischen Geistesgeschichte, der Aufklärung. So ist der Junge stets hin- und hergerissen zwischen Edmond Halleys astronomischen Erkenntnissen und dem Gotteswort in der Bibel. Wie kann etwa die Erde in sieben Tagen erschaffen worden sein? Da schleichen sich bei den besten Christen Zweifel ein, aber das ist lebensgefährlich.
Olli Jalonen
Die Himmelskugel
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
543 Seiten
(Mare 2021)
Esseyband von Carsten Kluth: Die Sterne und wir
Der Himbeerduft aus der Galaxie
In seinem neuen Buch «Die Sterne und wir» nimmt Carsten Kluth seine Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in fremde Galaxien: Er wirft in zwölf Kapiteln einen ebenso persönlichen wie wissenschaftlichen und kulturhistorischen Blick in den Nachthimmel. Von seinen eigenen Gedanken, die er sich angesichts der Weite des Universums macht, schweift er ab zu Sternen in Musik, Literatur und Kunst. Etwa zu Vincent van Goghs Gemälde «Sternennacht», einem seiner späten Werke, in denen sich die Sterne «bedrohlich, invasiv» zeigen, «neugierig in der Art missgünstiger Nachbarn, die sich einmischen …», wie Kluth schreibt.
Seine Ausführungen sind manchmal etwas ausufernd und ungeordnet, zuweilen aber auch sehr interessant und originell. Etwa wenn er das All mit allen Sinnen erkundet: Denn der Sternenhimmel lässt sich nicht nur sehend erforschen, sondern auch riechend, tastend oder hörend. Und so erfährt man etwa, dass der Geruch im Zentrum der Galaxie, wo Ameisensäure-Ethylester nachgewiesen wird, mit reifen Himbeeren vergleichbar ist. Und dass auf dem Jupiter mit seinem reichlich vorhandenem Phosphatwasserstoff eine Knoblauchfahne weht.
«Kann man Sterne auch hören?»
Im All wiederum riecht es leicht verbrannt und metallisch, wie Astronauten berichten: Raumfahrer Scott Kelly vergleicht es mit dem Geruch von Wunderkerzen. «Kann man Sterne auch hören?», fragt Kluth weiter und verweist auf Platon, der von Sphärenmusik sprach, die durch die Drehungen der Planeten zustande käme. Aber auch die moderne Astroseismologie kennt die «Klänge der Sterne», wie der Autor ausführt.
Carsten Kluth, der Politische Wissenschaften studiert und nebst einem Roman Betrachtungen über die Natur geschrieben hat, öffnet in seinem Buch mit dem funkelnden Cover zahlreiche Fenster zum Himmel: Nach eigenen Interessen kann man sich die spannendsten Ansätze heraussuchen – oder selbst mit dem Fernglas den Blick ins weite Universum geniessen.
Carsten Kluth
Die Sterne und wir – Über den Zauber des Nachthimmels
160 Seiten
(Arche 2021)
Kinderbuch von Maren Hasenjäger: Ein kleiner blauer Punkt
Planeten entdecken
Ein spannendes Sachbilderbuch für kleine All-Forscher ab vier Jahren: Die Autorin und Illustratorin Maren Hasenjäger macht Lust, das riesengrosse Universum zu erkunden. In ihrem farbig illustrierten Buch «Ein kleiner blauer Punkt» stellt sie kindgerecht das Sonnensystem vor. So erklärt sie etwa, warum man nicht auf dem Merkur stehen könnte, ohne sich die Füsse zu verbrennen, oder aus welchen Materialien die «Hula-Hoop-Reifen» des Saturns bestehen. Und natürlich darf auch der unscheinbare kleine blaue Punkt – die Erde – nicht fehlen. Sie schwebt mittendrin im Universum und findet sich selbst ein bisschen langweilig …
Maren Hasenjäger
Ein kleiner blauer Punkt
Ab 4 Jahren
32 Seiten
(Magellan 2021)