Bin und Qiao gehen hinaus aufs Land, im Hintergrund ein Vulkan. Hier gibt Bin seiner Geliebten Qiao Schiessunterricht, zeigt ihr, wie man eine Pistole hält, wie man abdrückt. Eine folgenschwere Lektion, wie sich später erweisen wird. Was Bin sagt, erklärt auch den Filmtitel: «Vul-kanasche ist sehr rein; alles, was unter hohen Temperaturen verbrennt, wird rein gemacht.» Und: «Es würde keinen kümmern, wenn du verbrennst.» Er stellt fest: «Leute wie wir töten oder werden getötet.»
Ein Ereignis mit fatalen Folgen
Bin (Liao Fan) ist ein Gangsterboss, Vorsteher einer Art krimineller Bruderschaft, des «Jianghu», einer Gemeinschaft, die in China Tradition hat. Es gelten eigene Moralvorstellungen, die Tugend der Loyalität und eigene Gesetze. Qiao (Regisseur-Gattin Zhao Tao) ist die Gangsterbraut. In der Provinz betreiben sie Glücksspielgeschäfte. In Shanxi im chinesischen Norden liegt der Bergbau darnieder. Die Region leidet am ökonomischen Niedergang.
Da passiert eines Abends das Fatale: Bin und Qiao werden von einer gegnerischen Gang angegriffen, junge Bandenmitglieder auf Motorrädern prügeln auf Bin ein. Um die Situation zu klären und ihren Geliebten zu retten, schiesst Qiao mit Bins Pistole in die Luft. Waffenbesitz ist verboten in China. Qiao verrät den Besitzer der Pistole nicht. Sie wird verurteilt und geht für fünf Jahre hinter Gitter. Bin bekommt nur zwei Jahre Gefängnis.
Qiao geht nach ihrer Entlassung auf die Suche nach Bin. Sie reist auf dem Fluss Jangtse zum Drei-Schluchten-Damm. Hier, in dieser boomenden, aber tristen Neusiedlungsregion, vermutet sie Bin. Doch er hat eine Neue. Qiao macht sich mit dem Zug wieder auf den Weg. Ihr eigentliches Reiseziel erreicht sie nicht. Unterwegs steigt sie aus und erlebt am nächtlichen Himmel eine Ufo-Sichtung.
Jahre später kehrt Qiao zurück an den alten Ort in Shanxi. Hier trifft sie Bin wieder, der nach einem Schlaganfall, halbseitig gelähmt, im Rollstuhl sitzt. Die einst blühenden «Jianghu»-Strukturen haben sich aufgelöst. Die Welt hat sich definitiv gewandelt.
Sozialer Umbruch mit Werteverlust
Die Jahre, die vergehen im Film, sind präzise datiert: Es beginnt 2001, der mittlere Teil fängt 2006 an, bis alles am 1. Januar 2018 endet. Gut zwei Jahrzehnte umspannt das Geschehen, «eine Epoche des enormen sozialen Umbruchs», wie Regisseur Zhang-Ke («Touch Of Sin») erklärt. Er macht den Wandel im faszinierenden Gangstermilieu fest, erzählt dazu eine Liebesballade und letztlich ein Stück chinesische Geschichte. Mit dem langen Atem eines fast zweieinhalbstündigen Films zeigt Zhang-Ke, was die Ökonomie mit den Menschen macht, wie Werte verloren gehen und zerstört werden. Die Geschich-te kennt viele Verlierer. Die «Asche» im Filmtitel meine «all die Menschen, die in dieser Entwicklung geopfert wurden, die kleinen Leute, die Individuen».
Ash Is Purest White
Regie: Jia Zhang-Ke
Ab Do, 2.5., im Kino