Die 1913 auf Deutsch erschienenen Memoiren des Abenteurers und Frauenhelden Giacomo Casanova waren für den österreichischen Autor Arthur Schnitzler ein gefundenes Fressen. Schliesslich galt der Wiener als psychologischer Experte für Beziehungen, Ehebruch oder heimliche Affären. Und so wie Casanova mit seinen Frauengeschichten sorgte auch Schnitzler für manchen Skandal, indem er in seinen Theaterstücken und Novellen die unbewussten menschlichen Triebe ans Licht der Öffentlichkeit holte.
Alt und verarmt
Zu der Novelle «Casanovas Heimfahrt» liess sich Schnitzler von den erotischen Eskapaden des potenten Helden inspirieren. Der Autor zeichnet den Herzensbrecher als alternden, verarmten Mann in der Lebenskrise, der aus der Verbannung in seine Heimatstadt Venedig zurückkehren will. Während er auf ein Zeichen aus Venedig wartet, kehrt er im Haus seines Freundes Olivo ein. Mit dessen Frau Amalia hatte er einst heisse Liebesnächte verbracht, und wie sich herausstellt ist sie noch immer Feuer und Flamme für ihn. Doch der alternde Casanova findet stattdessen Gefallen an der blutjungen und intelligenten Marcolina, einer Nichte Olivos, die ihm jedoch die kalte Schulter zeigt. Mit dem Verlust seiner Schönheit, Potenz und seiner Ausstrahlung auf das weibliche Geschöpf kann der einst erfolgreiche Verführer nur schwer umgehen. Er vergeht sich an Olivos 13-jähriger Tochter Teresina und greift zu einer List, um in Marcolinas Bett zu landen. Ihren Geliebten, den Leutnant Lorenzi, in dem er sich selbst als jungen, starken Mann erkennt, tötet er im Duell.
In der prächtigen, aufwendig gestalteten Neuausgabe von «Casanovas Heimfahrt» in bedrucktem Viskosegewebe und gesprenkeltem Rundumfarbschnitt verbindet die 30-jährige Illustratorin Cynthia Kittler in 35 Zeichnungen Casanovas Epoche des Rokoko und Klassizismus mit dem Jetzt.
Historische Details
Die Künstlerin schreibt im Nachwort, sie habe versucht, den Männlichkeitswahn, die Angst vor dem Altern und den Sexismus zu karikieren. Dafür findet sie farbenprächtig-üppige und aussagekräftige Bilder, in denen sie besonderes Augenmerk auf historische Details wie die damalige Kleidermode legt. Casanovas Träume, Fantasien und seine inneren Monologe hingegen sind meist abstrakter gestaltet und bestehen teilweise aus sexuell expliziten Symbolen.
Mit seiner Novelle hat Arthur Schnitzler einen neuen, überraschenden Blick auf den berühmtesten Frauenverführer aller Zeiten geworfen: Cynthia Kittler verstärkt diese Sichtweise auf Casanova als gebrochenen, alten Mann mit ihren Illustrationen.
Buch
Arthur Schnitzler
«Casanovas Heimfahrt»
Erstausgabe: 1918
Mit Illustrationen von C. Kittler bei Edition Büchergilde.