Das waren knallharte Kerle. «Als die Dünung die ‹Hope› in einen besonders steilen Winkel kippte, sauste ich hinab und verschwand im Wasser zwischen Eisschollen.» Der Mann schaffte es zurück an Bord und vertraute das Erlebnis am 3. April 1880 seinem Tagebuch an. Er hiess Arthur Conan Doyle und wurde später als Verfasser der «Sherlock Holmes»-Krimis weltberühmt.
Doyle (1859–1930) war damals Medizinstudent. Als Schiffsarzt fuhr der 21-Jährige auf dem Walfangschiff «Hope» Richtung Arktis. Die Reise führte von Schottland über die Shetland-Inseln hinauf zu den Spitzbergen und über die Färöer zurück. Sie dauerte von Ende Februar bis Mitte August 1880. Jetzt sind die damaligen Aufzeichnungen des jun-gen Conan Doyle erstmals auf Deutsch erschienen. Die Lektüre ist wunderbar: Der angehende Arzt und Schriftsteller erzählt seine Geschichten anschaulich, oft mit englischem Understatement, etwa wenn er von den Unbilden der beschwerlichen Reisen berichtet. Übertreibungen hatte er nicht nötig: Denn das Leben dieser Seeleute war abenteuerlich genug. Sie wollten möglichst viele Robben und Wale erlegen, um Geld zu verdienen.
Doyle beschreibt die Jagd auf Robben in sachlicher Sprache, die Tierschützern heute befremdlich erscheinen wird: «Die Mütter werden erschossen, & die Kleinen werden mit Knüppeln mit Eisenspitzen erschlagen. Dann werden sie an Ort und Stelle gehäutet. Das ist sehr harte Arbeit, weil man oft mehrere Meilen weit gehen muss, so wie ich heute, und man dabei mit der schweren Last von einer Scholle zur nächsten springt.» Doyle scheint es bei der Schlächterei dennoch nicht ganz wohl gewesen, denn er bezeichnet sich und seine Mitjäger als «Mörder».
Arbeit als Schiffsarzt
Als Arzt konnte Dr. Doyle auf der «Hope» wenig ausrichten, wenn ein Seemann erkrankte: «Haggie Milne leidet unter einer Darmverschlingung, erbricht Kot & hat unablässig Schmerzen. Ich verabreichte ihm heute ein Klistier aus Seife & Rizinusöl», notierte Doyle. Ein paar Tage später wurde Milnes Leichnam der See übergeben.
Conan Doyles Eifer für Kriminalfälle ist in diesem Buch verschiedentlich dokumentiert. So berichtet er von der Erzählung eines befreundeten Kapitäns, der im damals heruntergekommenen Londoner Stadtteil Holborn in einer Taverne knapp einem Verbrechen entronnen war, weil ihn ein Dienstmädchen heimlich vor der Gefahr warnte. Conan Doyle begann ein paar Jahre später mit seinen Sherlock-Holmes-Romanen: 1887 erschien «A Study in Scarlet», fiel beim Publikum allerdings vorerst durch.
Der Mare-Verlag hat mit «Heute dreimal ins Polarmeer gefallen» ein herrliches Buch herausgegeben. Die Ausgabe ist mit zahlreichen Kommentaren versehen, die das Geschehen in den viktorianischen Zeitgeist rücken, und mit Doyles Illustrationen, die es erst verständlich machen. Der Leser spürt, dass dieses Buch einen grossartigen Erzähler ankündigt, der Millionen von Krimi-Enthusiasten in seinen Bann zog.
Buch
Arthur Conan Doyle
«Heute dreimal ins Polarmeer gefallen. Tagebuch einer arktischen Reise»
Erstmals in Deutsch bei Mare 2015.