Arte: Spurensuche im Nachlass
Ist Friedrich Nietzsches nachgelassenes Werk «Der Wille zur Macht» eine Fälschung? Ein neuer Dokfilm auf Arte geht diesem Verdacht nach.
Inhalt
Kulturtipp 20/2017
Frank von Niederhäusern
Das letzte Jahrzehnt seines kurzen Lebens verbrachte Friedrich Nietzsche (1844–1900) in geistiger Umnachtung. Unmittelbar nach seinem Tod aber veröffentlichte die Schwester des deutschen Philosophen das Werk «Der Wille zur Macht». Die Nietzsche-Forschung rätselt seit Jahrzehnten über die Entstehung dieser Schrift, die später den Nazis als geistiges Fundament ihrer Herrenmenschen-Ideologie diente.
Mit dem Touch eines Thril...
Das letzte Jahrzehnt seines kurzen Lebens verbrachte Friedrich Nietzsche (1844–1900) in geistiger Umnachtung. Unmittelbar nach seinem Tod aber veröffentlichte die Schwester des deutschen Philosophen das Werk «Der Wille zur Macht». Die Nietzsche-Forschung rätselt seit Jahrzehnten über die Entstehung dieser Schrift, die später den Nazis als geistiges Fundament ihrer Herrenmenschen-Ideologie diente.
Mit dem Touch eines Thrillers
In ihrer neuen Fernsehdokumentation «Wahnsinn! Nietzsche!» stellt Hedwig Schmutte die These auf, das Buch sei eine Fälschung von Nietzsches Schwester.
Diesem Verdacht geht die Filmautorin in einer spannenden Spurensuche nach. Nebst zahlreichen Dokumenten (Fotos, Briefe, Filmausschnitte) lässt sie biografische Szenen nachspielen, was ihrem Film den Touch eines Thrillers gibt. Zudem berichten Historiker und Philosophen von ihren Recherchen und Forschungen. Für Nietzsche-Expertin Renate Buck ist klar: Nietzsches Schwester steckt hinter «Der Wille zur Macht». Elisabeth Förster-Nietzsche nämlich war bekennende Antisemitin, begleitete ihren Mann Bernhard Förster in dessen «arische Kolonie» nach Paraguay und war im hohen Alter mit Hitler befreundet. Nach Nietzsches Zusammenbruch 1889 pflegte sie ihren Bruder bis zu dessen Tod und machte sich zu seiner Nachlass-Verwalterin.
Noch sei die Erforschung von Nietzsches nachgelassenen Manuskripten nicht abgeschlossen, betont Philosoph Volker Gerhardt. Renate Buck aber kann zumindest Verzerrungen in «Der Wille zur Macht» nachweisen. Einig sind sich die Experten darin, dass Kernaussagen des Buches im krassen Widerspruch zu anderen Werken Friedrich Nietzsches stehen. So äusserte der Autor von «Also sprach Zarathustra» oder «Menschliches, Allzumenschliches» mehrfach explizit sein Missfallen gegen Antisemitismus und Herrentum. Sein wichtigster Leitspruch neben dem legendären «Gott ist tot» war denn auch «Werde, der du bist», was der Nazi-Ideologie grundlegend widerspricht.
Relativierung eines angeschlagenen Images
Hedwig Schmuttes dokumentarische Spurensuche relativiert das angeschlagene Image des Philosophen und Menschen Friedrich Nietzsche. Und er animiert zum Wiederlesen einiger seiner Aphorismen.
Wahnsinn! Nietzsche!
Regie: Hedwig Schmutte (2017)
Mi, 27.9., 22.00 Arte