1917, ein Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs, tobt in Russland die Revolution. Das Volk hat genug vom Krieg und ist unzufrieden: Ende Februar legen Frauen in Petrograd ihre Arbeit nieder. Immer mehr Arbeiter schliessen sich ihnen an, die Wut auf den Zar ist nicht mehr aufzuhalten. Im März muss er abdanken, Duma und Sowjets bilden eine provisorische Regierung.
Legetrickfilm mit historischen Protagonisten
Wo sind in dieser turbulenten Zeit die Künstler und Schriftstellerinnen Russlands? Dieser Frage ist die deutsche Filmkünstlerin Katrin Rothe nachgegangen. Daraus entstanden ist der Legetrickfilm «1917 – Die Künstler und die Revolution». Rothe erzählt die Geschichte aus der Sicht ihrer historischen Protagonisten, die sie liebevoll aus Papier geschnitten hat: Dazu gehören die Lyrikerin Sinaida Hippius, der Schriftsteller Maxim Gorki, der Kunstkritiker Alexander Benois, der Maler und Avantgardist Kasimir Malewitsch und der Dichter Wladimir Majakowski. Leichtfüssig bewegen sich die Papierfiguren auf dem gezeichneten oder gedruckten Hintergrund.
Majakowski etwa fordert die radikale Erneuerung und Demokratisierung der Kunst: Bücher und Museen sollen dem Volk gehören. Die heute vergessene Sinaida Hippius ist Anhängerin der Revolution, will aber den bolschewistischen Umsturz verhindern. Im Tagebuch schreibt sie: «Für Schriftsteller ist nirgendwo Platz, das Ihre zu schreiben. Sie müssen sich mit der Rolle der geheimen Berater zufriedengeben.» Kasimir Malewitsch will die Künstler von der Front wegholen und ist an der Bildung der ersten Kulturbrigaden beteiligt. Und Alexander Benois zieht sich schliesslich zurück ins innere Exil, in die unabhängige Einsamkeit.
Die Ereignisse überschlagen sich. Nach dem blutig niedergeschlagenen Juli-Aufstand gegen die Regierung ergreifen im Oktober die Bolschewiken in Petrograd die Macht. Der aus dem Zürcher Exil heimgekehrte Lenin fordert die Machtübernahme des Grossrussischen Rats im ganzen Land. Sinaida Hippius schreibt: «Zwischen der Revolution und dem, was jetzt vor sich geht, ist ein solcher Unterschied! Wie zwischen Februar, März und Oktober. Wie zwischen dem damals strahlenden Himmel und schmutzigen, schleimigen dunkelgrauen Wolken.»
Tagebücher, Briefe und Filmaufnahmen
Als Vorlage für den Film dienten Regisseurin Katrin Rothe Tagebücher, Briefe und andere Schriften. Historische Fotos und Filmaufnahmen ergänzen die Animationen. Immer wieder sieht man die Künstlerin selbst bei der Arbeit – auf einen langen roten Zeitstrahl pinnt sie die historischen Ereignisse. Bis zur Mimik der Figuren überzeugt jedes Detail, wie zum Beispiel die dicken schwarzen Augenbrauen von Gorki, die sich je nach Stimmung nach oben oder unten verschieben lassen. Die Musik, die Geräusche sowie die Sprecherstimmen sind fein abgestimmt auf die einzelnen Szenen und Charaktere. Neben seinem historischen Gehalt ist der Animationsfilm ein ästhetisches Erlebnis.
1917 – Die Künstler und die Revolution
Regie: Katrin Rothe
Mi, 1.11., 21.50 Arte
www.1917-derfilm.de