Er hiess Jürgen Bockelmann, war ein kränkliches Kind und wuchs in der Abgeschiedenheit Kärntens auf. Mit 17 gewann er einen Musikwettbewerb, schmiss die Schule hin und versuchte sich als Sänger und Pianist. Mit 80 starb Udo Jürgens auf dem Gipfel einer Ausnahme-Karriere als millionenschwerer Weltstar.
Bruder, Kinder und Freunde kommen zu Wort
Arte zeigt nun eine kurz vor seinem Tod entstandene TV-Dokumentation, in welcher der vitale Senior zwar zufrieden, aber nachdenklich und selbstkritisch auftritt. So spricht er unumwunden von der nagenden Einsamkeit nach Konzertauftritten, von seinem Scheitern als Familienvater, von amourösen Eskapaden und seiner Eitelkeit. «Ich kann durchaus ohne Applaus leben», sagt Jürgens, macht eine Kunstpause und fährt fort, «wenn ich nicht auf der Bühne stehe.»
Jürgens’ Bruder, der Kunstmaler Manfred Bockelmann, erinnert sich an die gemeinsame, behütete Kindheit, erzählt aber auch von den ewigen Selbstzweifeln und Ängsten seines Bruders. Udos Kinder Jenny und John Bockelmann beschreiben die Marotten ihres Vaters. Es treten Weggefährten auf wie der Münchner Musiker Max Greger, der Schweizer Bandleader Pepe Lienhard und Jürgens Zürcher Manager Freddy Burger sowie Joachim Fuchsberger, der drei Songs für Udo getextet hat.
Seinen über Jahrzehnte ungebrochenen und weltweiten Erfolg erklärt Jürgens gleich selbst. Mit seinen Songs habe er Emotionen ausgelöst und sei damit «am Ohr des Publikums» gewesen. Und: «Ich war stets ehrlich und habe immer Haltung gezeigt.»
Tatsächlich hat der Österreicher nicht nur Schnulzen gesungen wie etwa «Merci Chérie», mit dem er 1966 – beim dritten Anlauf – den Concours d’Eurovision de la Chanson in Luxemburg gewann. Jürgens schlug auch kritische Töne an. In seiner Hymne «Lieb Vaterland magst ruhig sein» klagte er 1971 die Machenschaften von Banken und Konzernen an. Mit «Griechischer Wein» brachte er drei Jahre später die Gastarbeiter-Problematik zur Sprache. Der Song eroberte die Hitparaden und ist bis heute ein Ohrwurm.
In Zeiten, da der deutsche Schlager kaum mehr an Niveau verlieren kann, tut es gut, sich an einen Schlagerstar zu erinnern, der qualitativ den Bogen zum Liedermacher schlug. Sein letztes Konzert gab Udo Jürgens am 7. Dezember 2014 im Zürcher Hallenstadion. Zwei Wochen später blieb sein Herz während eines Sonntagsspaziergangs in Gottlieben im Kanton Thurgau stehen.
Der Mann, der Udo Jürgens ist
Regie: Hanns-Bruno Kammertöns und Michael Wech
Fr, 6.10., 21.50 Arte