Arianna Savall - Drei Tränen und ein Koffer voll Sonne
Arianna Savall hat sich vom Ensemble ihres Vaters getrennt und geht seit 2008 eigene Wege – sehr erfolgreich. Der kulturtipp sprach mit ihr über die Musik, ihre Familie und das Leben zwischen der Schweiz und Katalonien.
Inhalt
Kulturtipp 26/2012
Christian Berzins
Ist es eine Träne, die vom Auge der Harfenistin fliesst? Dem ängstlichen Blick des Journalisten entgegnet Arianna Savall lächelnd: «Keine Angst, es ist nur eine Erkältung.» Hier in Basel bereitet sie sich für zwei Konzerte vor, bevor es wieder hinaus in die Welt geht. Nach China, nach Schweden, nach Polen – und immer wieder zurück nach Katalonien. Heim?
Fast fliesst eine zweite Träne, wenn die 40-Jährige von ihrem Leben zwis...
Ist es eine Träne, die vom Auge der Harfenistin fliesst? Dem ängstlichen Blick des Journalisten entgegnet Arianna Savall lächelnd: «Keine Angst, es ist nur eine Erkältung.» Hier in Basel bereitet sie sich für zwei Konzerte vor, bevor es wieder hinaus in die Welt geht. Nach China, nach Schweden, nach Polen – und immer wieder zurück nach Katalonien. Heim?
Fast fliesst eine zweite Träne, wenn die 40-Jährige von ihrem Leben zwischen der Schweiz und Katalonien spricht. In Basel wurde Arianna Savall geboren, lange lebte die Familie mitsamt zwei Geissen in Bärschwil im Solothurner Jura. «Heute suche ich in der Schweiz diese magischen Momente der Kindheit.» Doch als die Familie zurück nach Spanien zog, entdeckte Savall mit 18 Jahren ihre wahren Wurzeln – die Mittelmeerkultur.
Nord und Süd
Mittlerweile ist mit dem hohen Norden eine weitere Komponente in ihr Leben getreten. Nicht nur, dass sie mit der nordischen Musik ein tiefes Einverständnis gefunden hat, sondern im norwegischen Musiker Petter Udland Johansen auch einen Lebenspartner.
Trotz und Liebe
Die dritte Träne gibt es alsbald halb zu sehen und fest zu spüren. Im Laufe des Gesprächs kommt sie auf ihren Vater Jordi Savall und ihre vor einem Jahr viel zu früh verstorbene Mutter Montserrat Figueras zu sprechen, die zwei weltberühmten Musiker.
Über zehn Jahre lang hat sie mit ihnen professionell Musik gemacht, bis sie sich 2008 entschied, musikalisch eigene Wege zu gehen. Zu viel Eigenes war da am Wachsen. Immer nur die «Tochter» zu sein, das ging auf die Länge nicht gut. «Beide müssen atmen können.»
Trotz der Trennung ist Arianna Savall ihren Eltern dankbar. Sie unterrichteten sie zwar nie selber, ermöglichten ihr aber den Zugang zu bedeutenden Pädagogen. «Ich wuchs in einem Haus auf, in dem ausser Hund und Katze alles Musik machte. Und doch», so erzählt sie etwas stiller, «war es als Kind nicht leicht zu verstehen, warum meine Eltern mich und meinen Bruder nach den schönen Sommerferien so oft mit dem Kindermädchen allein in der Schweiz liessen und erneut auf Tournee gingen.» Trotzige Bewegungen gegen die Musik gab es dennoch nur phasenweise. Selbst die zwei Jahre, die Savall Kunstgeschichte studierte, sind zur Fussnote geworden.
Es war zu viel Musik in ihr. Die Harfen begeisterten sie zuerst. Als sie aber mit diesem Instrument fast eins geworden war, kam ihre Stimme hinzu – ideal, um alte Musik zu interpretieren. Aber nicht nur: Savall wagt auch den Sprung ins 21. Jahrhundert. In der Neuen Musik und den Liedern des 13. bis 17. Jahrhunderts, wo oft nur eine Melodielinie überliefert ist, sei der Weg für die Improvisation. «Wer alte Musik spielt, lernt zu improvisieren.» Savall lebt diese von ihrem Vater geerbte Kunst lustvoll aus.
Alt und Neu
Die stille Kammermusik ist zwar ihre Welt, aber sie hat schon überraschende Ausflüge gemacht. Zweimal trennte sie sich von ihrer Harfe, suchte und fand die Bühne. Sie sang am Theater Basel, später gar in der Oper von Barcelona. «Ein Ausflug, mehr nicht.» Trotz ihrer Liebe für Claude Debussy ist ihr die Idee sehr fern, Opern des 19. Jahrhunderts, ja 20. Jahrhunderts zu singen.
Und wenn die berühmte Cecilia Bartoli mit ihrer Barockstimme Norma sang, die Paraderolle von Maria Callas, sagt Savall sanft: «Ich kenne meine Grenzen. Ich suche eine Natürlichkeit. Muss ich forcieren, verliert meine Stimme ihre Feinheiten.»
Kaum vom Ensemble der Eltern getrennt, hat sie zusammen mit ihrem Partner ein eigenes aufgebaut: In «Hirundo Maris» fliessen nordisches und iberisches Blut zusammen. Grosse Projekte, auch beim Münchner Label ECM, sind erfolgreich ausgeführt, neue geplant. Auch in der Schweiz ist man aufgetreten, debütierte vor einem Jahr am Festival für alte Musik in Zürich.
Und dort erzählte man die wunderbar mystischen Geschichten auf schlichte Weise. Wer dabei skeptisch dreinblickte und an esoterischen Schmus dachte, hätte von Savall gehört: «Wir alle, jung oder alt, wollen Geschichten hören – früher wie heute. Sie geben unserem Leben eine Vertiefung.»
Tief und spirituell
Arianna Savall erfüllt diesen Anspruch mit einer zauberhaften Stimme und mit tiefsinnigen – durchaus spirituellen – Texten. Ein eindringliches Erlebnis im Konzert wie auf CD.
[CD]
Hirundo Maris
Chants du Sud et du Nord
Savall/Johansen (ECM 2011).
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[CD]
Peiwoh. Stimme und Harfe.
(Alia Vox 2009).
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