Für ein Provisorium hat sich die Sporthalle Gloriarank ganz schön selbstbewusst hingestellt. Der Bau aus drei ineinandergeschobenen Kuben sitzt da, als habe ihn die Gloriastrasse beim Universitätsspital Zürich schon immer demütig umfahren. Dennoch wirkt das Gebäude nicht behäbig. Im Gegenteil: Lärchenholz und Lamellenfassade verleihen ihm etwas Leichtes. Die nächsten zehn Jahre wird der Bau dem Akademischen Sportverband Zürich (ASVZ) und der Kantonsschule Rämibühl als Ersatzsporthalle dienen. Schon jetzt fügt er sich wunderbar in das Quartier ein.
Über 100 Objekte zu besichtigen
«Viel Spass im ASVZ», leuchtet es weiss auf einem grünen Bildschirm im Eingangsbereich. Der junge Mann, der sich eingeloggt hat, verschwindet in einem der Umkleideräume. An diesem Septembernachmittag ist einiges los. Alle paar Sekunden öffnet sich die Tür zum grosszügigen Fitnessraum im Parterre und entlässt Stimmengewirr und metallischen Klang von Hantelgewichten ins sonst ruhige Entrée.
Auch im Innern der Anlage dominiert Holz. Die Wände sind aus Sperrholzplatten gefertigt, die Kabelkanäle verlaufen freiliegend an der Decke. Dank den hohen, eleganten Fensterpartien wirkt der Bau dennoch nicht wie ein liebloses Provisorium. Die Sporthalle Gloriarank gehört zu den über 100 Gebäuden, Siedlungen und Parks, welche die Besucher des Festivals Open House Zürich dieses Jahr besichtigen können.
Ein Wochenende lang steht offen, was sonst oft nicht zugänglich ist: moderne Mehrfamilienhäuser und ganze Siedlungen, legendäre Ateliergebäude und Villen, Werkhallen, Geschäftshäuser oder die Autobahnüberdachung in Schwamendingen. Einige Orte können nur auf reservationspflichtigen Führungen besichtigt werden. Andere darf man frei anschauen, darunter auch die Sportanlage an der Gloriastrasse.
Architektur ganz nahekommen – das wollte die Londoner Architektin Victoria Thornton den Menschen ermöglichen, als sie 1992 das Projekt Open House ins Leben rief. Architektur und Stadtplanung beeinflussen das Leben aller, also sollten in ihren Augen auch alle mitreden können. Ihre Idee, den Menschen kostenlos Zugang zu Gebäuden und Siedlungen zu gewähren, hat seither in über 50 Städten rund um die Welt Anklang gefunden. In der Schweiz finden nebst Open House Zürich auch Open House Basel und unter dem Titel Open Doors ein Engadiner Äquivalent statt.
Architekturspaziergänge zeigen Hintergründe auf
«Wir sind Türöffner», sagt Raphael Karrer, Geschäftsführer von Open House Zürich. Karrer gründete den Verein vor acht Jahren mit seinem Freund, dem 2018 verstorbenen Architekten Christoph Kretz. Wenige Wochen vor dem Open-House-Wochenende sitzt er in seiner ruhigen Zürcher Altbauwohnung vor dem Laptop. Auf dem ovalen 60er-Jahre-Esstisch stapeln sich Flyer, an den Wänden hängt gerahmte Strassenfotografie.
«Wir möchten einer breiten Bevölkerung auf niederschwellige Art vermitteln, wie die gebaute Umwelt auf uns einwirkt», sagt Karrer und scrollt dabei auf der Website durch das Gebäudeprogramm. Bei der Casa Zentner bleibt er ein erstes Mal hängen und schwärmt von der Villa aus den 1960ern. «Es interessiert die Menschen halt, wie es hinter den Fassaden solcher Häuser aussieht.»
Karrer scrollt weiter, stoppt bei einem modernisierten Baumeisterhaus aus dem 19.Jahrhundert, dann beim Quartier Manegg, das auf Architektenspaziergängen erkundet werden kann. Er könne sich gut vorstellen, künftig mehr solcher Rundgänge anzubieten, fügt er an. «Auf den Spaziergängen mit Architekten, Landschaftsplanern oder Anwohnern erfahren die Besucher, in welcher Beziehung die Gebäude zueinander stehen, welche Konzepte hinter einem Projekt stecken und wie sich das Leben dort abspielt.»
Einzigartiger urbaner Freiraum
Tatsächlich spricht Open House nicht nur Architekturfans an, sondern auch Besucher, die sich für die Herausforderungen des heutigen Stadtlebens interessieren. Moderne Sozialwohnungsbauten sind ebenso vertreten wie zeitgemässe Altersappartements. Die Sporthalle Gloriarank wiederum ist ein Musterbeispiel für nachhaltiges Bauen: 85 Prozent des Gebäudes können nach der jetzigen Nutzung an einem neuen Ort weiterverwendet werden.
An die anhaltenden Debatten über städtische Freiräume und kühlende Grünflächen erinnert schliesslich die Stadtoase des Vereins für Volksgesundheit Zürich. Während des Festivals bietet der Verein Führun gen durch das älteste Sonnenbad Zürichs an. Hecken schirmen das gut 120 -jährige Areal an der Flanke des Zürichbergs gegen die Strasse hin ab. An diesem sonnigen Spät nachmittag ist es auch im Bistro ruhig.
Eine Frau mit geröteten Wangen tritt aus dem Saunabereich und verabschiedet sich mit einem vertrauten «Tschau zäme» von den Damen hinter dem Tresen. An der Wand hängen Schwarz -Weiss -Fotos, auf denen Turnerinnen in Arabesque -Sprüngen verharren. Vor dem Bistro führt ein schmaler Weg durch den verschachtelten Gebäudekomplex zur Wiese, auf der die Lebensre former der frühen 1900er turn ten. Jetzt ist nur Grillenzirpen aus dem hohen Gras zu hören.
Die alten Pavillons lassen die Stadtoase als verwunschenen Ort erscheinen. Diese Stille, die angenehme Kühle! Gäbe es in dieser Stadt doch nur mehr solcher Paradiese.
Open House Zürich
Sa/So, 30.9./1.10.
www.openhouse-zuerich.org
Open House Basel
Sa/So, 27.4./28.4.
www.openhouse-basel.org
Open Doors Engadin
Ende Juni 2024
www.opendoors-engadin.org