Diese Musik klingt nicht flockig und heiter. Vielmehr wohnt ihr eine düster-erhabene Note inne. Über einem Teppich aus gruftigen Sounds und noisigen Texturen breitet sich eine eindringliche Stimme aus. Trotz dieses schwarzen Timbres wirkt das Ganze geheimnisvoll und betörend.
Sie finde nicht, dass ihre Musik deprimiert klinge, erklärte Anna von Hausswolff in einem Gespräch. «Ich selbst wandere durch viele Emotionen, wenn ich Musik mache. Musik kann einen temporären Durchgang in dein emotionales System öffnen, einem Kanal gleich. Nach dieser Reise, nach dem Spielen, fühle ich mich immer sehr friedlich.» Als Inspirationen nennt die Schwedin Nick Cave, die Cocteau Twins und vor allem PJ Harvey. Deren Album «Let England Shake» bezeichnete sie als eine der wichtigsten Platten der letzten Jahre. «Jedes Mal, wenn ich sie höre, bin ich schockiert, wie gut sie ist.»
Leben, Tod und andere Unwägbarkeiten
Anna von Hausswolff wurde 1986 in Göteborg geboren. Sie ist die Tochter des Soundkünstlers Carl Michael von Hausswolff. 2008 begann die damalige Architektur-Studentin, eigene Songs zu schreiben, aufzunehmen und auf Bühnen zu interpretieren. 2010 erschien ihre erste EP «Track of Time». Im gleichen Jahr tourte sie mit der Band Tindersticks und doppelte mit ihrem ersten Album nach: «Singing from the Grave» schaffte den Sprung in die schwedischen Top Five und wird heute als moderner Klassiker der schwedischen Popmusik gehandelt.
Für den dunklen Kammer-Pop mit experimentellen Anklängen sagt Anna von Hausswolff den Ausdruck «Funeral Pop». Eine treffende Bezeichnung: Ausdrucksstark zelebriert sie ihre Songs über Leben und Tod und andere Unwägbarkeiten. Ihre eindringliche Stimme zieht den Hörer in Bann, der Sound ist dunkler Seelen-Flor und aufgewühlte Emotion. Nach einem Konzert schrieb eine schwedische Zeitung: «Es ist so schön, dass es weh tut.»
Seit diesem ersten Pop-Noir-Album ist Hausswolffs Sound noch umfassender geworden. Schon auf ihrer zweiten Platte «Ceremony» (2013) erklingen dramatische Orgeltöne.
Von Gothic Folk über Prog-Rock bis Black Metal
Die sanft morbide Aura von Hausswolffs Songs erinnert an Alben der ehemaligen Velvet-Underground-Sängerin Nico, die epische Sound-Kraft an die Swans. Das Werk wurde prompt in Heavy-Metal-Magazinen besprochen.
Nach einer ausgedehnten Tournee, welche die Schwedin bis nach New York führte, erschien mit «The Miraculous» (2015) das bisher letzte volle Album. Zentral für das Werk ist das monströse Klangspektrum einer Kirchenorgel, die sich im Konzerthaus Aucusticum der nordschwedischen Stadt Piteå befindet. Die Orgel ist eine der grössten in Europa, sie umfasst 9000 Pfeifen, 91 Register, 35 Transmissionen und 68 Extensionen. Zusätzlich sind ein Glockenspiel, ein Vibrafon, Celesta und diverse Rhythmusfunktionen eingebaut.
In den neun Songs spiegeln sich Einflüsse von Gothic Folk über Prog-Rock und Ambient bis Black Metal. Der Sound ist erhaben, schwelgerisch, chaotisch und kulminiert in der berauschenden Intensität des zehnminütigen Stücks «Come Wander with Me/Deliverance». Neben der Kirchenorgel sind eine Gitarre, Schlagzeug sowie eine Violine im Einsatz.
Kein Ausruhen auf den Vorschusslorbeeren
Das Album erhielt begeisternde Kritiken. «Zwischen Albtraum und somnambulem Zwischenreich, zwischen Horror-Film-Soundtrack und Märchenlied, im dunkelsten Bergwerk der menschlichen Psyche, dort schürft Anna von Hausswolff», schrieb die «Zeit». Und der Kritiker des englischen «Observer» meinte: «Ich denke, wir erleben das Erscheinen einer der wichtigsten Künstlerinnen des Jahrzehnts.»
Nach all den Vorschusslorbeeren hat Anna von Hausswolff letzten Winter mit einer EP nachgedoppelt: «Källan» ist die Wiederaufnahme eines 20-minütigen Tracks, den sie früher auf einer Kirchenorgel eingespielt hatte und nun als «Betatyp» nochmals mit Kirchenorgel und Band intensiviert. Dunkle Drones, lange Crescendi, verlangsamte Sphären und tumultöse Entladungen zeichnen «Källan» aus.
Unterwegs auf Tour spielt Anna von Hausswolff mit einer synthetischen Orgel. Natürlich ist sie sich des Unterschieds zu den Power-Instrumenten wie etwa in der Konzerthalle im schwedischen Piteå oder in der englischen Lincoln Cathedral sehr bewusst. Bei diesen riesigen Kirchenorgeln sitze man mit dem Rücken zum Publikum und werde introvertiert, sagte sie. «Anders in einem Rock-Club: Da blicke ich ins Publikum und alles wird mehr extrovertiert. Das sind entgegengesetzte Energien.»
CD
Anna von Hausswolff
Källan
(Pomperipossa Records 2016).
Anna von Hausswolff
The Miraculous
(City Slang 2015).
Konzerte
Di, 25.4., 21.00 Bad Bonn Düdingen FR
Mi, 26.4., 21.00 Palace St. Gallen
Do, 27.4., 19.00 Kapuzinerkirche Stans
Fr, 28.4., 21.30 Studio Foce Lugano TI