Sie geht auf Menschen zu, statt sich über sie zu ärgern. Anna Rosenwasser ist die aktuell umtriebigste LGBTQ-Aktivistin der Schweiz. Und die wirkungsvollste. Denn sie setzt auf positive Vibes, argumentiert mit Fakten und spielt gekonnt mit Ironie. «Das Geschlecht ist nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren», sagt sie und erzählt lebensfroh von ihrer Bisexualität.
Dass Zürichs Stadtpräsidentin lesbisch ist, freut sie durchaus. Dennoch lebten Queers auch in Zürich noch immer nicht sicher. «Kinder sollen in der Schule lernen, wofür die Buchstaben LGBTQ stehen», lautet Rosenwassers Botschaft. «Auch vielen Erwachsenen würde dieses Wissen guttun für ein respektvolles Miteinander.»
«Ich stehe gerne im Mittelpunkt»
Anna Rosenwassers Sätze sitzen. Das wird mit ihrem Politologiestudium zu tun haben und mit ihrem Werdegang als Journalistin und Bloggerin. Aber auch damit: «Ich stehe gerne im Mittelpunkt und mag Mikrofone», sagt sie.
An Lesungen aus ihrer neuen Kolumnensammlung «Rosa Buch» bittet sie ihr Publikum nicht nur um Fragen, sondern auch um Kritik. Diese Offenheit funktioniert: Sie könne sich an keine Begegnung erinnern, die sie traurig zurückgelassen habe. Auf digitalem Weg aber erhalte sie rassistische Hassbotschaften und Morddrohungen. Anonym natürlich.
Kandidatur für den Nationalrat
Umso mehr hält sich Rosenwasser an ihre diplomatischen Fähigkeiten. Nebst ihren Blogs, Kolumnen und Büchern, ihren Workshops in Schulen und Firmen will die Zürcherin sich vermehrt politisch engagieren. Nach 2018 kandidiert sie 2023 erneut für den Nationalrat. Mit klaren Zielen: «Der dritte Geschlechtereintrag muss realisiert werden, ebenso wie der gesetzlich geregelte Schutz von trans Menschen im Artikel 261bis.» Auf die Frage, wie sie auf politischen Gegenwind im Rat reagieren würde, lacht Rosenwasser: «Ich werde das Hässigsein wohl üben müssen, denn es gibt keine Menschen, die ich kein bisschen gern habe.»
Diese Offenheit und Geduld nennt sie eine «Ressource, die ich aus strategischen Gründen einsetze und pflege». Allerdings ist auch Rosenwassers Energie beschränkt: «Ich nutze das Privileg des Pausemachens sehr ernsthaft.» Kraft schöpft sie auch aus ihrem Umfeld. «Es gibt nichts Schöneres, als von queeren Menschen umgeben zu sein, weil es eine lebensbejahende, verspielte und solidarische Bewegung ist.» Entsprechend freut sie sich auf die Zürich Pride am 17. Juni: «Ein Fixtermin, an dem mein Herz wie an keinem anderen Tag aus den Nähten zu platzen droht.»
Anna Rosenwasser: Queere Lebensgeschichten
Mo, 12.6., 20.00 Kaufleuten Zürich
Di, 13.6., 20.00 Casinotheater Winterthur ZH
Anna Rosenwasser liest aus «Rosa Buch»
Fr, 16.6., 21.00 Kulturtage Schaffhausen
Sa, 24.6., 15.00 Jugendtreff Kreis 4 Zürich
www.annarosenwasser.ch
Anna Rosenwassers Kulturtipps
Buch - Linus Giese: Lieber Jonas oder Der Wunsch nach Selbstbestimmung (Kjona 2023)
«Ich empfehle dieses Buch jeder Person, die noch etwas überfordert ist mit der Trans-Thematik. Ein liebevolles, simples und doch so mächtiges Büchlein.»
Album - Nuggets: Contenance (Download fatimamoumouni.com 2023)
«Ich könnte Fatima Moumouni und Laurin Buser stundenlang zuhören. Mach ich auch, und zwar mit dieser EP ihres Rap-Projekts. ‹Mehr Zeit› kann ich bald auswendig, es ist soooo gut!»
TV-Serie - Heartstopper (Netflix)
«Die einzige Serie, die ich mir in den letzten Jahren angesehen habe. Zweimal! Endlich mal eine Geschichte von einem glücklichen queeren Freundeskreis, anstatt immer nur queeres Leiden.»