«Im Auge des Orkans» befindet sich die Bielerin Anita Hugi momentan – fühlt sich dort aber sichtlich wohl. Schon früh am Vormittag ist sie voller Tatendrang. «Es ist eine intensive Zeit, aber in einem perlenden Sinne – wie ein Champagner!», hält sie bei einem Treffen in einem Solothurner Café lachend fest. Seit sie im August die Leitung der Solothurner Filmtage übernommen hat, ist sie im Dauereinsatz. Hunderte von Filmen hat sie mit ihrem Team vi-sioniert, sich mit den Strukturen der Filmtage vertraut gemacht, das Programm ausgetüftelt.
Generation Netflix ins Kino locken
Gemäss ihrem Motto «Tradition bewahren, Zukunft gestalten» will sie nicht alles Bewährte über den Haufen werfen, aber neue Akzente setzen. Etwa mit einem Fest der Schweizer Filmhochschulen. Denn eines ihrer Anliegen ist es, die Generation Netflix ins Kino zu locken: «Wir wollen die Neugier nähren!» Dazu gehören auch Reihen, die sich explizit mit jungem Filmschaffen und neuen filmischen Erzählformen beschäftigen – von interaktiven Filmen bis zu Virtual Reality. «Der Fokus richtet sich aber wie bisher auf die 178 neuen Schweizer Filme», betont Hugi.
Ihre Film-Leidenschaft wurde früh geweckt. «Film hatte in Biel immer einen hohen Stellenwert und war Teil unserer Identität – so wie in Solothurn», sagt sie. In der gut sortierten Mediathek hat sie als junge Frau prägende Filmerfahrungen gemacht und sich etwa von Peter Liechtis «Signers Koffer» «positiv verstören» lassen. Nach ihrem Übersetzerstudium war ihre Arbeit vom Film geprägt: Ab 2005 hat sie als Redaktorin und Produzentin bei «Sternstunde Kunst» gearbeitet. In den letzten drei Jahren war sie als Programmdirektorin am Filmfestival in Montreal tätig.
Der Wechsel zurück in die Bieler Heimat, wo sie mit ihrem Partner lebt, sei ihr nicht schwergefallen. Einzig der blaue Himmel in Kanada – wenn manchmal auch bei minus 30 Grad – vermisse sie hier, sagt sie mit einem Blick aus dem Fenster, wo dicker Nebel durch die Gassen kriecht. Aber dafür dürfe sie nun «im Zentrum des Schweizer Filmschaffens» in einer Funktion als Brückenbauerin zwischen den Generationen und Sprachregionen arbeiten.
Und was hält sie von der oft gehörten Kritik, viele Schweizer Spielfilme zeichneten sich durch hölzerne Dialoge aus? «Im Bereich Dok- und Kunstfilm war die Deutschschweiz immer sehr stark. Aber auch beim Spielfilm kann ich allen eine gute Nachricht geben», sagt die sprachaffine 44-Jährige prompt. «Bei den Visionierungen war ich überrascht, wie gut die Dialoge geschrieben sind und wie hoch die Qualität auch bei den ganz jungen Filmschaffenden ist. Um die Zukunft des Schweizer Films müssen wir uns sicher nicht sorgen!», sagt sie und springt auf. Sie muss weiterwirbeln. Auf ihrem Tagesprogramm stehen Interviews, Sitzungen und das Schreiben der Eröffnungsrede, bis es heisst: Film ab!
Solothurner Filmtage
Mi, 22.1.–Mi, 29.1.
www.solothurnerfilmtage.ch
Anita Hugis Solothurner Kulturtipps
Film & Konzert
Fokn Bois & Joy Adomaa Adjeman
«Die Band Fokn Bois und die Sängerin Joy Adomaa Adjeman sind im Konzert und im Film ‹Contradict› zu sehen.»
Konzert: So, 26.1., 21.30 Kino im Uferbau
Film: So, 26.1., 17.45 Landhaus / Di, 28.1., 15.00 Reithalle
Retrospektive
Rencontre Heidi Specogna
«Wir zeigen das Gesamtwerk der Regisseurin. Sie gehört seit mehr als 25 Jahren zu den wichtigsten Stimmen des europäischen Kinodokumentarfilms.»
Lesung
Cemile Sahin
«Die Künstlerin liest aus ihrem Roman ‹Taxi› und erzählt, wie sie für ihr Schreiben von Serien beeinflusst wurde.»
Sa, 25.1., 14.15 Kino i. Uferbau