Anatole Taubman war 2020 im Wilden Westen und im tiefen Mittelalter, er hat einen Wissenschafter oder den Teufel gespielt, in Spanien oder Ungarn gedreht. Kurz: Für den Schauspieler ist das vergangene Jahr rundgelaufen. Im Videotelefon-Gespräch aus Berlin zeigt sich Taubman gut gelaunt und dankbar, dass seine geplanten Filme trotz Pandemie nicht abgesagt werden mussten und er dennoch in Zürich eine «geschenkte Auszeit» mit seinem zweijährigen Sohn Henri und seiner Frau geniessen konnte.
Fürs innere Gleichgewicht die Yogamatte dabei
Die Familie ist für den Schauspieler, der aus früheren Beziehungen drei Töchter hat, das Wichtigste. «Ich musste mir nach meiner Chaos-Jugend meine eigenen Wurzeln aufbauen», erzählt er offen. «Meine Eltern, beide jüdisch, waren durch den Zweiten Weltkrieg wurzellos.» Halt gefunden hat er etwa im Gymnasium im Kloster Einsiedeln, wo er in einer Schultheater-Aufführung eines Shakespeare-Stücks seine Berufung fand: die Schauspielerei. Heute ist er weltweit für Filmdrehs unterwegs.
Besonders Spass machen ihm die Fieslinge. «Als Bösewicht hat man als Schauspieler mehr Freiheiten. Es gibt nur eine Art, gut zu sein, aber das Böse hat tausend Gesichter», sagt Taubman, der im Film «Ein Quantum Trost» einen garstigen James-Bond-Gegenspieler gab. Kürzlich konnte er sich erneut in bösen Gefilden austoben: als Western-Schurke im Kinofilm «Der junge Häuptling Winnetou» und als Teufel in der Gotthelf-Filmadaption «Die schwarze Spinne», den er in einer Mischung aus Luzifer und Hirtengott Pan mimt, wie er mit sichtlicher Begeisterung erzählt. Beide Kinostarts sind fürs 2021 geplant. Aktuell ist Taubman allerdings in einer historischen Rolle am TV zu sehen: In der Serie «Charité» spielt er den Biochemiker Samuel Rapoport, der in der DDR mit seiner Frau Inge das Berliner Krankenhaus mitgestaltet hat. Zur Vorbereitung auf die Rolle hat er sich ins historische Material vertieft und Rapoports Tochter in Berlin getroffen. «Mein Ziel ist es, diese Figur so authentisch wie möglich zu bewohnen, den Menschen mit all seinen Facetten zu erfassen.»
Es muss also nicht immer die grosse Geste sein: Taubman nimmt auch den Normalo, wie er ihn etwa in Bettina Oberlis neuem Film «Wanda, mein Wunder» gespielt hat, als Herausforderung an. Fürs innere Gleichgewicht nimmt er stets die Yogamatte zum Dreh mit, um zwischendurch ein paar Konzentrationsübungen machen zu können. Im Gespräch allerdings sitzt er nicht lange still. «Wahnsinn!», ruft er plötzlich, als vor dem Fenster ein Graureiher auf einem Berliner Hochhaus auftaucht, und springt auf, um den Vogel zu fotografieren, bevor er weiterspricht. Die Begeisterungsfähigkeit äussert sich bei Taubman eben nicht nur bei einer Rolle, sondern auch im gewöhnlichen Alltag.
Charité – Staffel 3
Ab Di, 12.1., 20.15 Das Erste
Online verfügbar ab Di, 5.1.: www.daserste.de
Anatole Taubmans Kulturtipps
TV
Die Rapoports – Unsere drei Leben (D 2003)
«Ein toller Dok über die Wissenschafter Inge und Samuel Rapoport, den ich in ‹Charité› spiele. Eine Stunde Geschichtslektion auf hohem Niveau.»
Do, 14.1., 23.10 MDR
Netflix-Serie
Ozark
«Jason Bateman und Laura Linney sind grandios als Ehepaar, denen mitten im Nirgendwo in den Ozarks von Missouri das Wasser bis zum Hals steht.»
Buch
John O’Donohue: Anam Cara – Das Buch der keltischen Weisheit
«Der irische Philosoph verbindet in ‹Anam Cara› (Gälisch: ‹Meine Seele›) Mythologie mit den Problemen von heute. Fast wie eine Bibel für mich – bereichernd und inspirierend.»