Amar Quartett - Unterwegs mit viel Engagement und noch mehr Herzblut
Das Schweizer Amar Quartett ist eine feste Grösse in der Schweizer Streichquartettszene. Die Geigerin Anna Brunner ist seit Beginn dabei.
Inhalt
Kulturtipp 20/2012
Christian Berzins
Am Anfang war kein Name, aber viel Enthusiasmus. Vier Teenager mit zwei Geigen, einem Cello und einer Bratsche sassen tagelang zusammen und spielten Streichquartette. Sie wählten vor allem Werke, die andere schnöde links liegen liessen, zum Beispiel das 2. Streichquartett von Paul Hindemith.
«Damals waren wir damit restlos überfordert», lacht Anna Brunner beim Kaffeetrinken am Rigiplatz am Zürichberg. «Doch wir waren begeistert von dieser roman...
Am Anfang war kein Name, aber viel Enthusiasmus. Vier Teenager mit zwei Geigen, einem Cello und einer Bratsche sassen tagelang zusammen und spielten Streichquartette. Sie wählten vor allem Werke, die andere schnöde links liegen liessen, zum Beispiel das 2. Streichquartett von Paul Hindemith.
«Damals waren wir damit restlos überfordert», lacht Anna Brunner beim Kaffeetrinken am Rigiplatz am Zürichberg. «Doch wir waren begeistert von dieser romantisch-expressiven Musik und fingen Feuer an weiteren Hindemith-Werken.» Als es schliesslich darum ging, der eigenen Formation einen Namen zu geben, kam man gemeinsam auf das klingende, multisprachliche «Amar»: auf jenen Namen, den einst das Quartett des Komponisten Paul Hindemith (1895-1963) getragen hatte. Und überraschend: Niemand vom Frankfurter Hindemith-Institut hatte etwas dagegen, dass die vier «Nonames» aus Zürich den Namen übernahmen.
Perfekte Spürnase
«Ein Glücksfall!», so Brunner. Der Name lenkt die Geschichte des Quartetts bis heute. Aber es gilt Hürden zu überwinden: «Vor einem Hindemith-Quartett sind die Leute meistens skeptisch, nachher begeistert», so Anna Brunner. Deshalb verwundert es nicht, dass sich in diesem Sommer endlich ein geplantes Projekt realisieren liess: Amars erste CD eines Hindemith-Zyklus, das die Streichquartette Nr. 2 und Nr. 3 der insgesamt sieben Werke präsentiert – die zweite CD folgt in diesen Tagen.
Ebenso entscheidend und prägend: Dem ursprünglichen wie dem aktuellen Amar-Quartett war und ist die Neue Musik eine Herzenssache. «Jahrelang haben wir jeweils einem Schweizer Komponisten einen Auftrag gegeben, ein Quartett zu schreiben.» Heute erhält das Amar zahlreiche Anfragen von Komponisten, ihre Werke aufzuführen. «Wir könnten jedes Jahr 40 neu komponierte Quartette spielen», erklärt Brunner.
Bisweilen hatte das Quartett eine perfekte Spürnase. Vor elf Jahren etwa bestellten die Zürcher beim damals nur wenigen bekannten Aargauer Komponisten Dieter Ammann ein Streichquartett. «Nach vielen Jahren der Stille fragte uns Dieter: ‹Wollt ihr es immer noch?›» Klar wollten sie, denn mittlerweile war Ammann ein grosser Name, hatte nicht nur den Siemens-Förderpreis, sondern auch die ehrenvolle Aufgabe erhalten, Composer in Residence am Lucerne Festival zu sein. Und so schuf er schliesslich das «Distanzenquartett».
Angesagte Komponisten
Mit Daniel Schnyder ist ein angesagter Schweizer Komponist mit dem Quartett verbunden. Anfang 2013 soll nun die «Amar»-Einspielung mit dessen vier Streichquartetten erscheinen: Das 4. Streichquartett hat der in New York lebende, Saxofon spielende Komponist notabene für das «Amar» geschrieben.
Die 1972 geborene Anna Brunner hat im Laufe der 17 Jahre verschiedene Quartettbesetzungen erlebt. Umso glücklicher war sie vor einiger Zeit, als sich so etwas wie ein Idealzustand einstellte: mit Igor Keller, Hannes Bärtschi und Péter Somodari. Ohne grosse Diskussionen konnte fortan effizient geprobt werden, frei von persönlichen Animositäten. «Das wirkte befreiend, wir konzentrierten uns auf die Musik.»
Ein Indiz, wie gut besetzt man war, zeigte sich vor kurzem mit der Berufung Somodaris nach Wien: Dort wirkt er nun als Solocellist der Wiener Philharmoniker. Wie weiter mit dem Amar? Ein heikler Moment, doch mit dem Cellisten Christopher Jepson konnte ein adäquater Nachfolger gefunden werden. «Er passt wunderbar in unser Ensemble», sagt Brunner. Die vielen Worte über den tollen Zusammhalt lassen allerdings fragen, ob sich so eine Quartettbeziehung bis ins Private zieht. Das kontert Brunner entwaffnend ehrlich und lachend: «Wir gehen nicht gerade miteinander in die Ferien. Aber das macht wohl kein Quartett.»
Zu Neuem bereit
40 bis 60 Konzerte gibt das Amar pro Jahr. Lang gehegte Wünsche erfüllt man sich beim eigenen Festival «TonWort», wo es gilt, zusammen mit einem Schriftsteller Programme zu gestalten. 2011 etwa mit Urs Widmer; im Februar/März 2013 folgt in Zürich und Basel die nächste Ausgabe. Mit diesem Festival zeigt sich, dass das Amar Quartett, so klassisch streng es bisweilen auf dem Podium wirkt, gerne die gewohnten Pfade verlässt: Man tut bisweilen so, als ob man etwas Altbekanntes macht, steht aber mit einem Bein schon in der Zukunft.
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Hindemith:
String Quartetts I, Quartette 2 und 3 (Naxos 2012).
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Fritz Brunu: Othmar Schoeck:
(Musiques suisses 2006).
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Daniel Schnyder:
4 Quartette (Col legno 2011)
Erscheint 2013.
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Infos: www.amarquartett.ch