Aly Cha Japan bittersüss
«Schnee im April», der fesselnde Debütroman von Aly Cha, folgt vier Frauengenerationen in Japan bis zurück ins 19. Jahrhundert.
Inhalt
Kulturtipp 17/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
Osaka, 1969: Durchfroren und übermüdet kommt die sechsjährige Yuki mit ihrer Mutter Miho aus Tokio in einer klirrend kalten Winternacht in der bescheidenen Hütte ihrer Grossmutter Asako an. Miho drückt der alten Frau das Kind in die Arme und verschwindet spurlos – das Versprechen zurückzukehren, wenn die Kirschblüten fallen, hält sie nicht. Wie es zu diesem radikalen Schritt kommen konnte, enthüllt Aly Cha in ihrem Roman in einer langen R&uum...
Osaka, 1969: Durchfroren und übermüdet kommt die sechsjährige Yuki mit ihrer Mutter Miho aus Tokio in einer klirrend kalten Winternacht in der bescheidenen Hütte ihrer Grossmutter Asako an. Miho drückt der alten Frau das Kind in die Arme und verschwindet spurlos – das Versprechen zurückzukehren, wenn die Kirschblüten fallen, hält sie nicht. Wie es zu diesem radikalen Schritt kommen konnte, enthüllt Aly Cha in ihrem Roman in einer langen Rückblende im zweiten Teil, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.
Dabei verknüpft die 41-jährige Autorin die Lebensgeschichten von vier Frauengenerationen in Japan: Sie alle konnten sich ihr Schicksal nicht selbst aussuchen und mussten sich ihren Weg in oft widrigen Umständen erkämpfen. Hinter dem nicht besonders originellen Titel «Schnee im April», der sich auf das altbekannte Japan-Symbol der fallenden Kirschblüten bezieht, steckt eine packende Geschichte. Die kosmopolitische Autorin Aly Cha – geboren in Südkorea, aufgewachsen in Japan, Kanada und den USA, heute in Zürich und New York lebend – gibt einen Einblick in die japanische Mentalität und Tradition (inklusive angehängten Glossars). Sie zeigt, wie sich die vier Frauen innerhalb ihrer, durch weibliche Verhaltens-Codes eingeschränkten, Möglichkeiten ihren Weg bahnen. Die Mochi, Klebereisbällchen mit einer Füllung aus süssen, roten Bohnen, die alle vier mit einer Erinnerung verknüpfen, bilden dabei ein wiederkehrendes Motiv.
Wenn das arme Dienstmädchen Michiko auf den edlen Fürstensohn Kenzaburo trifft und sich daraus eine zarte, über alle Stände erhabene Liebesgeschichte entspinnt, nimmt der Roman gar märchenhafte Züge an – mit dem Unterschied allerdings, dass den Liebenden kein Märchen-Ende beschieden ist. Trotz der Schicksalsschwere, die auf den Figuren lastet, schafft die Autorin einen leichtfüssigen Roman, der sich bis zum Auslesen schwerlich weglegen lässt. Im dritten Teil schliesst sich der Kreis: Die Leser gelangen wieder zur kleinen, noch unbeschwerten Yuki, die inzwischen in Osaka die Schule besucht. Doch das «ferne Grollen» kündet bereits an, dass auch sie wie ihre Vorfahrinnen unsteten Zeiten entgegengeht.
[Buch]
Aly Cha
Schnee im April
432 Seiten
Aus dem Amerikanischen von
Ursula Gräfe
(Kein & Aber 2011).
[/Buch]