Nachmittags um fünf Uhr spielt Radio SRF 3 zum gefühlten zehnten Mal den neuen Rihanna-Hit. Der junge Radiomacher Christian Gamp rümpft die Nase. Auf seinem Onlineradio GDS.FM könnte das nicht passieren.
Der Name seiner Station «Zürichs Radio gegen den Strom» ist Programm: Lauer Mainstream und Charts werden bewusst links liegen gelassen. Vielmehr soll das Programm mit lokalen Enthusiasten aus der sonst beim Radio oft ausgegrenzten Subkultur entstehen. Gesendet wird aus dem Wohnzimmerstudio der WG, aus Clubs, Bars und von Festivals. «Für mich machen gute Musik, ein persönlicher Touch und Vielseitigkeit den Sender aus», sagt Gamp zu seiner unkonventionellen Art des Radiomachens.
Wachsende Hörerschaft
Aller Anfang war klein. Gamp und sein Mitbewohner Pascal Rosamilia sendeten zwei Jahre lang Gastsendungen über das Campusradio der ETH und das Onlineradio Audioasyl.net. 2014 gingen sie erstmals im 24-Stunden-Betrieb mit GDS.FM auf Sendung. Für Gamp, mit seiner breit gefächerten Sammlung von 100 000 Musiktiteln, ein notwendiger Schritt: «Jede kulturelle Grossstadt verfügt über mindestens ein Radio, das die Subkulturen vertritt – ob in Paris, Wien, Berlin oder London. Nur in Zürich fehlte es an einem guten Musikradio.» GDS.FM füllte diese Lücke und konnte innerhalb eines Jahres seine Hörerschaft um das Dreissigfache steigern.
20 000 Einschaltungen verbucht das Onlineradio nun wöchentlich – Tendenz steigend. «Es gibt in Zürich viele DJs und Labels, die qualitativ hochstehende Musik machen. Da keine Plattform für diese besteht, kommt sie kaum je über einen Freundeskreis hinaus», sagt der Radiomacher und spricht von einem «kulturellen Defizit».
Zahlreiche Freunde und Zuhörer packen bei GDS.FM regelmässig mit an. Das gibt den Machern die Bestätigung, dass diese Art von Radio gebraucht wird. Im Gegensatz zu grossen Sendern verfügt man bei GDS.FM über kein Budget, Improvisation ist angesagt. Etwa, als im Januar einen Monat lang aus einem temporären Studio gesendet wurde. «Den Raum stellte uns eine Bar gratis zur Verfügung, und die notwendige Internetverbindung führte über ein Kabel an der Fassade zur Wohnung eines Hörers», blickt Gamp zurück.
Gamp und seine beiden Mitstreiter Pascal Rosamilia und Adrian Hoenicke gehen neben dem zeitintensiven Radiomachen einem Brotberuf nach, um persönlich finanziell über die Runden zu kommen.
Werbefrei
GDS.FM wird einzig über Mitgliederbeiträge und eigene Events finanziert. Bezahlte Werbung zu schalten ist kein Thema: «Radiospots sind eine Zumutung für die Hörer.» Die Macher gehen lieber andere Wege und suchen nun ein neues, für die Öffentlichkeit zugängliches Studio, um den Sender im besten Fall im Verbund mit einer Bar oder einem Café quersubventionieren zu können. Man möchte langsam wachsen, ohne dabei den persönlichen Touch zu verlieren.
GDS.FM
Tagsüber sind bei GDS.FM vielseitige, gut sortierte und stimmige Playlists zu hören. Diese sind nach Geschwindigkeiten in «Zmorge», «Zmittag», «Znacht» und «Bettmümpfeli» eingeteilt. Die Musikstile sind breit gefächert: Von Funk, Soul und Rap über ruhigen Punk und Indie bis zu House und elektronischen Perlen ist alles zu hören. Wichtig ist nur: Die Musik muss zugänglich sein und dem Mitgründer Christian Gamp gefallen. Denn die definitive Auswahl der 100 Songs, welche wöchentlich neu in die Playlist aufgenommen werden, trifft der Musik-Nerd selber. Abends und nachts bestimmen verschiedene Setblocks von DJs, Live-Acts und Labels aus der Zürcher Subkultur das Programm. Höhepunkte sind die donnerstäglichen Lives-Sendungen (ab September wieder zu hören) aus dem Club Kauz, bei denen oft international erfolgreiche Musiker wie Kalabrese mitplaudern und neue Sounds diskutieren.
www.GDS.FM
Radio Stadtfilter
Der 2005 gegründete Winterthurer Sender ist zugleich Kulturradio, Lokalradio, Hörerinnenradio und Ausbildungsradio. Neben einem kleinen, fest angestellten Team produzieren und moderieren 200 Personen regelmässig Sendungen. So entsteht eine eindrückliche Vielfalt – Themen aus allen Sparten, von Sport bis Philosophie, von Politik bis Kunst, finden ihren Platz. Charmant und oft ziemlich spontan wird durchs Programm geführt. Dazu bekommt ausgewählte Musik – ob ab Playlist oder in durchmoderierten Sondersendungen – ihren Platz. Das Spektrum reicht von Oldies bis junger Musik, von Indie bis Punk, von Hip-Hop bis Techno. Und was dabei immer heraussticht, ist ein sympathischer Lokalbezug zur Rockcity Winterthur.
www.stadtfilter.ch
UKW-Frequenz 96,3 MHz (nur Region Winterthur) und bei Cablecom über die Frequenz 107,35.
Kanal K
Die Wurzeln des Aargauer Musik- und Mitmachradios Kanal K liegen in den späten 80er-Jahren. Der Vorgänger Radio Alora bot nicht professionellen Radiomachern eine Plattform der freien Meinungsäusserung. Nach einem Pilotversuch sendete man jahrelang im Time-Sharing über Radio Argovia. Erst 1997 entstand daraus Kanal K auf eigenen Frequenzen im Aargau. Immer noch stehen freiwillige Radiomacher und Auszubildende am Mikrofon und bespielen den grossen Bereich abseits des Mainstreams. Kultur und Musik sind zentral, doch auch Politik und fremdsprachige Sendungen finden ihren Platz. Das musikalische Spektrum bei Kanal K reicht von Indie über Pop und Rap bis zu Electronica, Trip-Hop und Dub: Man setzt auf junge und überzeugende Sounds, weitab von ausgetretenen Mainstream-Pfaden.
www.kanalk.ch
UKW-Frequenzen 94,9 MHz (Aargauer Mittelland), 103,4 MHz (Region Olten/Zofingen), 92,2 MHz (Region Baden/Wettingen) sowie über Kabel (diverse Frequenzen, siehe Homepage).