Alter Sound frisch verpackt
Der Thurgauer Raphael Jost sorgt mit Swingjazz für Furore. Nun legt der Pianist und Sänger sein Debütalbum vor.
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Kulturtipp 05/2014
Frank von Niederhäusern
Zürich West, Frühling 2013. Vor dem Schiffbau steht eine Traube junger Jazzfans. Man fachsimpelt über die bevorstehenden Konzerte im Musikclub Moods, wo die Finalrunde des ZKB-Jazzpreises ansteht. Vom nahen Bahnhof Hardbrücke trudeln letzte Besucher ein. Mittendrin ein junger Blondschopf mit Lausbubengesicht, dem der Rucksack wie ein Schülerthek am Rücken baumelt.
Eine Stunde später sitzt der Blondschopf gestylt am Konzertflügel und hat nach zwei...
Zürich West, Frühling 2013. Vor dem Schiffbau steht eine Traube junger Jazzfans. Man fachsimpelt über die bevorstehenden Konzerte im Musikclub Moods, wo die Finalrunde des ZKB-Jazzpreises ansteht. Vom nahen Bahnhof Hardbrücke trudeln letzte Besucher ein. Mittendrin ein junger Blondschopf mit Lausbubengesicht, dem der Rucksack wie ein Schülerthek am Rücken baumelt.
Eine Stunde später sitzt der Blondschopf gestylt am Konzertflügel und hat nach zwei Songs das Publikum im Sack. Raphael Jost ist ein Phänomen: Virtuoser Pianist, begnadeter Sänger, dazu ein gewitzter Charmeur. Den Jazzpreis gewinnt er nicht. Egal, er hat bereits wichtigere Auszeichnungen erhalten.
Vorbild Jamie Cullum
Dreiviertel Jahre später legt der 25-jährige Thurgauer nun sein Debütalbum vor. Und «Don’t Blame Me» macht klar: Hier ist ein Talent am Werk. Abgesehen davon, dass sich der bubenhaft wirkende Raphael Jost auf der Bühne in einen gewieften Entertainer verwandelt, überrascht er mit raffinierter Musik. Sein Swingjazz ist nicht eigentlich originell und erinnert an Musicalhits von Cole Porter oder Hart/Rogers, die er gerne covert. Doch Jost schreibt auch eigene Songs, die den Swing an die aktuelle Ästhetik von R ’n’ B oder Hip-Hop bindet.
Damit macht er hellhörig. Von einem «Ausnahmetalent mit grosser Zukunftsperspektive» sprach die Jury des Europäischen Nachwuchs-Jazzpreises im deutschen Burghausen, wo Jost 2012 den Solistenpreis gewann. Im bayerischen Passau schwärmte die «Neue Presse» nach seinem Konzert von einer «ausserordentlich vitalen Show». Und die «Schaffhauser Nachrichten» taxierten seine Stimme als «samtigen Cognac und Eiscrème zugleich».
Dies alles klingt auffallend nach Jamie Cullum. Der smarte Engländer hat mit ähnlicher Rezeptur vor elf Jahren die internationale Jazz- und Popszene erobert. Ein Cullum-Konzert wirkte bei Raphael Jost denn als Initialzündung: Mit 18 erlebte er den hyperagilen Klangtänzer und liess sich von ihm anstecken. Zuvor hatte Jost nur gewusst, dass er Musik machen wollte – alles, nur keine Klassik.
Stupender Arrangeur
Nach einem Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste hat sich der Diessenhofener hörbar von Cullum emanzipiert. Zwar lassen Songs wie «On The Line» oder «Chestnut Tree» in ihrem fidelen Swingpop Ideengeber Cullum noch erahnen. Doch auf der CD «Don’t Blame Me» breitet Jost ein funkelndes Spektrum aus mit zarten Jazzballaden, fröhlichen Folksongs und raffinierten Soul-Nummern. Zudem Covers – etwa von Kate Perrys «California Girl» oder Elton Johns «Rocket Man» –, die Josts stupende Qualität als Arrangeur verdeutlichen. Seine Bläsersätze erklingen kunstvoll und wuchtig zugleich, was auch an Josts namhaften Kollegen liegt: Trompeter Lukas Thöni oder den Saxern Christoph Grab und Florian Egli.
Lots Of Horns nennt Jost das Oktett, mit dem er sein Debütalbum eingespielt hat. Wohl wissend, dass die Hörner zu seinem Markenzeichen werden könnten. Auf die Fortsetzung dieser Erfolgsstory darf man gespannt sein.
CD
Raphael Jost & Lots
Of Horns
Don’t Blame Me
(Unit 2014).
Konzerte
Fr, 28.2., 20.30
Moods Zürich (CD-Taufe)
Fr, 7.3., 12.00
Comihalle Zürich
www.raphaeljost.ch