Was tun, wenn im Gulasch versehentlich Milch landet und sowohl Essen als auch Topf nicht mehr koscher sind? Solche Fragen seiner Schäfchen gehören zum Alltag des Rabbiners Gabriel Klein, der in der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich wirkt. Doch wer den gutmütigen Seelsorger aus Alfred Bodenheimers drei vorherigen Romanen bereits kennt, weiss:
Der Torah-Gelehrte gerät aus harmlosen Gefilden schnell in Trouble. Auch im neusten Krimi droht zum Ärger seiner bodenständigen Frau Rivka wieder Ungemach.
Raffiniert gestrickter Krimiplot
Nach einem Fernsehauftritt kehrt Klein nachts zum Studio zurück, weil er sein Handy liegen gelassen hat. Dort entdeckt er den Moderator Kim Nufener in einer Blutlache – offensichtlich ermordet.
Kurz darauf klopft der junge Modeschöpfer Lejser Morgenroth bei ihm an und verwickelt ihn mehr als ihm lieb ist in den Mordfall. Lejser hatte sich vor Jahren von seiner orthodoxen Familie losgesagt, war nach Mailand gezogen, wo er seine Homosexualität ausleben und Mode studieren konnte. Inzwischen lebt er in Zürich – und war bis vor kurzem mit dem verstorbenen Fernsehmoderator liiert. Über all die Jahre war er mit Rabbi Klein in Kontakt geblieben. Nun sucht er bei ihm Rat, da er als frisch verlassener Ex-Freund des Toten zu den Hauptverdächtigen gehört.
Geschickt legt der Autor die Fährten aus und verknüpft sie zu einem spannenden Plot. Die Besonderheit der Bodenheimer-Krimis liegt freilich woanders: Als Professor für jüdische Literatur und Religionsgeschichte an der Universität Basel versteht er es, seinen Lesern den jüdischen Alltag und die moralischen Konflikte eines Rabbiners auf unterhaltsame Weise näherzubringen. Selbst die Interpretation von Bibelstellen wirken nicht wie Fremdkörper, sondern wecken Interesse und tragen oft zur Aufklärung des Falls bei.
Interreligiöser Dialog
Im neuen Buch erweitert Bodenheimer seine Beobachtungen des jüdischen Milieus auf den Islam sowie die katholische Kirche; er lässt seinen Rabbi in einen interreligiösen Dialog treten. Das titelgebende Torah-Gebot «Ihr sollt den Fremden lieben» wird unterschiedlich ausgelegt, zumal auf allen Seiten Fundamentalisten ihr Unwesen treiben. Sein Rabbi mit dem feinen Humor schafft es auch diesmal knapp, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.
Lesung
Mi, 27.9., 19.00 Sphères Zürich
Buch
Alfred Bodenheimer
«Ihr sollt den Fremden lieben»
192 Seiten (Nagel & Kimche 2017).