Zürich scheint ihm besonders ergiebig. Autor Alfred Bodenheimer, geboren in Basel und ebendort als Judaistik-Professor lehrend, hat 15 Jahre in Zürich gelebt. Er kennt sich aus und kann reizvoll mit der Stadtgeografie spielen. Während er etwa Tramlinien und -stationen akkurat benennt, nimmt er sich anderswo dichterische Freiheiten. Der Schauplatz Café Siena «an der Ecke Lavater- und General-Wille-Strasse» heisst in Wirklichkeit Café Bistro San Marco. Es liegt beim Bahnhof Zürich Enge. Und hier passierts: Die Gemeindeaktivistin Carmen Singer – das lateinische Carmen bedeutet «Lied», siehe Romantitel – kommt am Perron ums Leben. Unfall, Suizid oder gar Mord?
Carmen hat Rabbi Klein gestalkt, aber auch ganz andere Motive könnten hinter dem Fall stecken. Zum Beispiel eine Geschichte um Finanzspekulationen. Klein klemmt sich auf eigene Faust dahinter, was der Kommissarin Karin Bänziger gar nicht gefällt.
Dem Schriftsteller Alfred Bodenheimer gelingen schöne Zürich-Beschreibungen, wie jene zum Sechseläutenplatz, «der mit Bündner Quarzstein ausgelegt war und seither als einer der schönsten, weitläufigsten Plätze Europas gefeiert wurde. Zumindest von den Zürchern».
Klein, von Haus aus Historiker, darf zwischendurch auch seine «kulturpessimistische» Ader zum Ausdruck bringen. Gedämpfte Musik, die im Café im Hintergrund läuft, goutiert er wenig, nicht einmal Abba gefallen ihm: «ein Song einer schwedischen Popgruppe aus den siebziger und achtziger Jahren, mit deren Erfolg für Klein der musikalische Untergang des Abendlands eng verbunden war».
Und wie bereits im ersten Klein-Krimi «Kains Opfer» ist jüdische Lebenswelt Thema im Buch. Die Juden in Zürich, so heisst es einmal, waren «immer die Junkies der Gesellschaft gewesen, mittendrin und doch am Rand, verrückte Gesellen eigentlich, die sich Hüte aufzwingen liessen in der Form von umgedrehten Melkschemeln und hässliche gelbe Flicken noch auf den erlesensten Kleidern, die horrende Sondersteuern zahlten …».
Alfred Bodenheimer
«Das Ende vom Lied»
208 Seiten
(Nagel & Kimche 2015).
