Der Basler Christian von Mechel (1737–1817) war einer der Grossen der europäischen Kunstszene im 18. Jahrhundert. Er lernte Kupferstecher und führte ein Kunsthandelsgeschäft mit Beziehungen zum österreichischen Kaiser Joseph II. und vor allem zu Goethe, den er verschiedentlich traf. Die Schweiz war ihm zu wenig, immer wieder reiste von Mechel in den Süden und vor allem nach Deutschland; schliesslich liess er sich nach der Französischen Revolution in Berlin nieder. Dennoch schien ihm seine Vaterstadt am Herzen gelegen zu sein, und sei es nur aus kommerziellen Gründen, weil sich Städtebilder gut verkaufen liessen.
Das belegt zumindest seine Ansicht der Stadt Basel aus Südosten. Man kann sich vorstellen, wie der Künstler im Sankt-Alban-Quartier am Rhein stand und versuchte, die Silhouette der Stadt möglichst akkurat wiederzugeben. Die Fotografie war damals noch nicht erfunden. Der kolorierte Kupferstich hatte deshalb dokumentarischen Wert und sollte dem Betrachter ein möglichst genaues Bild der Stadt vermitteln – ein bisschen Tourismuswerbung und mehr noch Heimatgefühl für die Einheimischen.
In idealisierter Manier
Die Basler Stadtansicht stammt aus der Sammlung des Geschwisterpaars Richard und Annemarie Gugelmann, das bis 1989 im bernerischen Roggwil eine Textilfabrik führte. Sie trugen während Jahrzehnten Werke von Künstlern aus dem 18. und 19. Jahrhundert zusammen, die sich «Schweizer Kleinmeister» nannten: Alpenbilder, Trachten oder eben Stadtansichten. Die einzelnen Werke mögen aus heutiger Sicht beschaulich daherkommen. Dennoch vermitteln sie einen Eindruck davon, wie das Leben in Mitteleuropa einst gewesen sein könnte – wenn auch in idealisierter Manier. Denn das Schreckliche, das verbreitete Elend und die Missstände, wollte man den Kunstliebhabern nicht zumuten.
Annemarie Gugelmann vermachte den Nachlass nach dem Tod ihres Bruders der Schweizerischen Nationalbibliothek, die ihn jetzt auf einer Website zugänglich macht. Die 1000 Werke der «Schweizer Kleinmeister» sind auf dem Portal von Wikimedia Commons abrufbar. Die Nationalbibliothek besitzt laut Susanne Bieri, Leiterin der Graphischen Sammlung, mehr als drei Millionen Bilder, inklusive Fotos, Ansichtskarten oder volkskundliche Darstellungen.
Mitarbeiter sind nun damit beschäftigt, diesen Schatz zu katalogisieren und zu digitalisieren. Dazu läuft ein Forschungsprojekt zur Erfassung des Gesamtbestandes «Schweizer Kleinmeister» der Nationalbibliothek. Die auf dem Netz aufgeschalteten Bilder kann man nur online sehen. Eine private Ausleihe ist nicht möglich, einzelne Werke werden aber an Institutionen für Ausstellungen ausgeliehen. Überraschend: Bieri stellt bei jungen Kunsthistorikern ein zunehmendes Interesse an solchen Grafiken fest.
Künstler wie Christian von Mechel waren zu ihrer Zeit weit herum bekannt. Zu ihnen gehörte der Berner Johann Ludwig Aberli (1723–1786), hier in einem Porträt seines fast gleichaltrigen Kollegen Matthias Pfenninger. Aberli wusste, wie man zu Geld kam: durch den Verkauf von Kupferstichen und von Aquarellen. Diese waren bei Einheimischen und Touristen beliebt, vor allem den reichen Engländern, die damals «Rural Switzerland» entdeckten. Nicht nur Bilder stiessen auf Interesse, die sogenannte «Thun Pottery» etablierte sich als einer der ersten Zweige der Souvenir-Industrie.
Reiche Auswahl
Zurück nach Basel: Der Stadtplan des Einheimischen Johann Friedrich Mähly (1805–1848) war seinerzeit ein kulturpolitisches Ereignis, über das die Lokalzeitung ausführlich berichtete. Der Basler Stadtrat entschied sich 1845, das Originalaquarell für 500 Franken zu kaufen; es hängt heute noch im Rathaus. Laut dem Basler «Allgemeinen Intelligenzblatt» («Intelligenz» im ursprünglichen Sinn von «Einsicht») gibt der Plan das damalige Stadtbild mit grosser Genauigkeit wieder. Kritisiert wird aber: «Dass die meisten Laternenstöcke höher sind, als die daneben gezeichneten Häuser, dass dieses oder jenes Haus gar niedriger gelassen werden musste, um den dahinter liegenden Hof besser zeichnen zu können.» Ein zeitgenössischer Druck dieser «Vogelschauansicht von Norden» fand ebenfalls Aufnahme in der Sammlung Gugelmann.
Die Beispiele illustrieren die reiche Auswahl der 1000 Meisterwerke. Ein Besuch der Website lohnt sich – mit etwas Geduld findet sich für jeden und jede ein Bild mit einem persönlichen Bezug.
Schweizerische Nationalbibliothek
Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:CH-NB-Collection_Gugelmann