Mit Mozart fühlt sie sich seelenverwandt. In der Klassik sei sie zu Hause. «Eine Hochblüte, während der so vieles zusammenkam, eine unglaubliche Dichte an Kunstwerken, die formal und emotional ein grosses Ganzes ergeben», sagt Aglaia Graf, «deswegen stehen auch Mozart und Beethoven in meinem Programm.» Aber die Basler Pianistin würde nie nur ein Mozart-Beethoven-Programm spielen: «Die Ohren werden geschärft, wenn man anderes zwischen diesen Meisterwerken gehört hat.»
So steht ein Chaconne-Tanz von Händel zwischen den beiden Titanen der Wiener Klassik: ein barockes Stück, das selbst Kennern unbekannt ist. Und aus dem 20. Jahrhundert wählte Graf die «Danzas argentinas» von Alberto Ginastera. «Ein tolles Werk, das ich während des Studiums einmal hörte, aber den Namen des Komponisten vergessen hatte.» Jahre später habe sie es wiedergefunden und spiele es seither gerne. «Ein wirkungsvolles Stück, das vom Spieler viel verlangt und beim Publikum sehr gut ankommt.»
Gradliniger Weg zur Meisterpianistin
Aglaia Graf wurde 1986 in Basel geboren. Nach Unterricht bei der polnischen Pianistin Alicja Masan wurde sie 14-jährig als Jungstudentin in der Konzertklasse von Adrian Oetiker an der Musikhochschule Basel aufgenommen, wo sie 2007 ihr Konzertdiplom mit Auszeichnung erhielt. Danach setzte sie ihr Studium in Wien und Paris fort.Sie bildete sich in der Klasse von Ronald Brautigam weiter und in Meisterkursen, etwa bei András Schiff oder Paul Badura-Skoda.
Die Karriere entwickelte sich im üblichen Rahmen: Erfolge bei Wettbewerben öffneten die Türen zu Konzertveranstaltern und Orchestern. Oft trat sie zusammen mit ihrem Vater auf, dem legendären Flötisten Peter Lukas Graf. Er ist mittlerweile 88 Jahre alt, aber er wirke jugendlich und reise gerne, sagt Aglaia Graf. Aktuell arbeiten die beiden an einem Schubert-Programm.
Unbekanntes neben Meisterwerken
Kammermusik gehört für Aglaia Graf untrennbar zum musikalischen Leben. Mit dem englischen Cellisten Benjamin Gregor-Smith spielt sie in einer festen Duo-Formation: «Das Repertoire für Cello und Klavier ist riesig, umfasst unglaubliche Perlen.» Als Nächstes würden sie gerne die drei Sonaten von Bohuslav Martinu in Angriff nehmen. «Wahnsinnig gut gemachte Musik, die zu selten gespielt wird.»
Ein weiterer Plan – diesmal mit einem Trio – umfasst Werke im Dreieck von Brahms, Robert und Clara Schumann, deren Romanzen für Violine und Klavier es ihr angetan haben. Aglaia Graf mag es, ihrem Publikum unbekannte Werke zu präsentieren. Dazu gehören immer grosse Meisterwerke, von denen sie weiss, dass sie auf offene Ohren stossen. So spielt sie demnächst Klavierkonzerte von Mozart, aber auch von Gershwin. Oder sie kombiniert Chopin mit der Minimal Music von Philip Glass und wagt sich an die Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug von Béla Bartók.
Inspiration aus der Welt der griechischen Antike
Eine weitere Spezialität von Aglaia Graf ist es, sich ihrem Publikum mit eigenen Kompositionen vorzustellen. Für ihren Luzerner Auftritt hat sie eigens ein neues Werk geschrieben und sich von der Welt der griechischen Antike inspirieren lassen. «Schon als Kind haben mir meine Eltern diese Geschichten vorgelesen. Sie haben mich fasziniert, weil ich sie für einen gelungenen und menschlichen Welt-Erklärungsversuch halte.» Naturphänomene zum Beispiel würden mit Geschichten über Götter und Helden beschrieben, ganz im Gegensatz zu unserer heutigen Wissenschaft. «Diese hat emotional ja nichts mehr mit uns zu tun», bedauert sie.
Die Figur des Odysseus hat Aglaia Graf bereits zu einem Stück für Cello und Klavier inspiriert. Für ihr neues Klavierstück sind es nun die Urgötter, wie sie der griechische Dichter Hesiod beschreibt: Gaia, die Erde, Tartaros, die Unterwelt, und Eros, die Liebe. «Gaia und Tartaros sind die gegensätzlichen Eckpfeiler des dreisätzigen Stücks», sagt die Komponistin. «Eros steht dazwischen als kurzes, leichtes Zwischenspiel, als kaum greifbares Wesen, wie ein flüchtiges Flüstern.» Solche Assoziationen helfen dem Publikum, sich auf ein neues Stück einzulassen: «Der Zugang wird damit tiefer und emotionaler.»
Nicht um jeden Preis experimentell
Sie sei offen für alles, sagt Graf. So habe sie eine Zeit lang auch frei improvisierte Musik gespielt, wo man alle Regeln und Konventionen komplett abstreife. «Aber ich muss nicht um jeden Preis experimentell sein in meinen Stücken.» Sie höre zwar viel zeitgenössische Musik. «Aber natürlich fliessen alle meine Erfahrungen mit den Werken der letzten 400 Jahre Musikgeschichte in meine Kompositionen ein», sagt sie und versichert: «So ist mein neues Stück für Luzern in keiner Weise extrem.»
Konzert
Aglaia Graf
Do, 23.11., 12.15 Lukaskirche Luzern
Uraufführung der Eigenkomposition «Birth of Gods»
Sowie Werke von Mozart, Händel, Beethoven, Ginastera
Piano-Festival Luzern Sa, 18.11.–So, 26.11.
www.lucernefestival.ch