Er hat den Namen eines Halbgotts, die Zielstrebigkeit einer ferngesteuerten Rakete und eine Stimme wie Samt. Der Bariton Äneas Humm ist alles andere als eine alltägliche Erscheinung, selbst wenn er in Yoga-Pants und Flip-Flops an seinem neuen Wohnort New York unterwegs ist. Zurzeit jedoch steht eher der obligate Opernsänger-Schal auf der Tagesordnung. Die kalte Jahreszeit ist für Sänger nicht ohne: «Wir haben zum Singen nur diese zwei Stimmlippen, klein wie Fingernägel. Die versuchen wir zu schonen, so gut es geht», erklärt Humm am Telefon: «Sogar mit vollem Körpereinsatz. Ich bewege mich täglich eine Stunde an der frischen Luft.»
Lampenfieber in der Carnegie Hall
Dass in ihm ein Feuer brennt, hat der 23-Jährige früh gemerkt. Schon damals, bei den Zürcher Sängerknaben, als er «süchtig nach Singen war wie andere nach Zigaretten». Seit damals haftet ihm auch die Etikette des Wunderkinds an. Sei es Ausdruck, Klangvolumen, Technik – woran andere jahrelang feilen müssen, das gabs bei Humm quasi serienmässig. Und doch: «Nie würde ich mir so eine Etikette geben. Weil hinter meinem Werdegang wahnsinnig viel Arbeit steckt, bis zu zehn Stunden Singen pro Tag. Da fragt man sich schon: Wo ist das Wunder?»
Sehr früh ging es steil aufwärts: Operndebüt mit 18; Operettenpartien von Johann Strauss Sohn bis Jacques Offenbach; Barockopern, darunter die Titelpartie des «Orfeo» am Monteverdi Festival 2017; Masterstudium an der Juilliard School bei Edith Wiens. Und als bisherige Höhepunkte: Debüts im KKL Luzern sowie in der New Yorker Carnegie Hall. «Das waren Lampenfiebermomente», bekennt der Bariton offen: «Ich dachte, wenn mir jetzt die Stimme wegbricht, dann sterbe ich.»
Sie ist nicht weggebrochen. Stattdessen erhielt Humm den Förderpreis des Deutschlandfunk 2018. Seine grosse Liebe gilt dem Lied. Schumann, Schubert, Mahler etwa. Ihnen widmet er seine samtig-sonore Stimme am liebsten, verbindet dabei Glühen mit behutsamem Herangehen an die Musik. «Wir Schweizer sind bescheiden. Aber ich finde, man muss auch mal sagen können: Das war gut. Punkt. Danach kann man wieder hart arbeiten», meint der junge Sänger mit den erstaunlich reifen Ansichten.
Allzu reif mag er dann aber doch nicht sein: «Ich liebe die Oper, aber da ist man als Bariton immer der Vater oder der mächtige Soldat. Und Schauspielerei hin oder her, mich 50 Jahre älter machen? Das kann ich nicht.» Recht hat er. Und nun müsse er auch schon los, erklärt der Nachwuchssänger. New York ruft. Schliesslich will er sein Leben nicht nur im Hotelzimmer verbringen.
Konzerte mit Äneas Humm
So, 2.12., 17.00 Schloss Rapperswil SG
Hugo Wolf – Italienisches Liederbuch
Mit Rachel Harnisch (Sopran) und Jan Philipp Schulze (Klavier)
Sa, 12.1., 19.00 La Prairie Biel BE
Martin: «6 Monologe zu Jedermann»; Lieder von Schubert und Grieg – Mit Hartmut Höll (Klavier)
Äneas Humms Kulturtipps:
Buch
Elizabeth Poliner: Wie der Atem in uns (Dumont 2017)
«Durch meine jüdische Familiengeschichte interessieren mich natürlich jüdische Storys! Dieses Buch gab mir Einblick in das Amerika um 1940.»
CD
Anna Prohaska (Sopran): Serpent and Fire
«Eine der grössten Sopranistinnen für mich. Mit jedem Ton fängt mein Herz an zu vibrieren, und ich fühle, wie sehr sie mit ihrer Stimme kulturelle Vielfältigkeit verkörpert.»
CD
Mario Biondi & The High Five Quintet: «Handful Of Soul» (Schema Records 2006)
«Jazz oder Soul ist die perfekte Ablenkung für mich. Es gibt nichts Besseres, als im Pyjama zu frühstücken und dazu Mario Biondi zu hören.»