Ada Pesch führt zwei Leben. Eines in eleganter Konzertkleidung mit Geige unter dem Kinn, und eines in Shorts und Sneakers, mit Tennisschläger in der Hand. Doch ob Tennisschläger oder Geigenbogen, was immer gleichbleibt, ist ihre Leidenschaft. Sie hat der Konzertmeisterin des Opernhauses Zürich einst den Weg zur Barockmusik eröffnet. Anfang der 1990er spielte sie mit dem Barock-Pionier Nikolaus Harnoncourt «Alcina», eine Oper von Händel. «Es war eine Zeit, als viele diese Musik langweilig fanden. Doch Harnoncourt hat uns gezeigt, dass Händel alles hat. Drama wie Wagner, dazu Humor, Liebe und Leid. Ich habe mich sofort in diese Musik verliebt.»
«Nur am Killerinstinkt muss ich noch arbeiten»
Vielleicht weil, verglichen mit der Romantik oder der Klassik, Barockmusik mehr swingt, mehr Freiheit bietet? «Ein wenig wie Popmusik, nicht?», fragt die Musikerin augenzwinkernd und fährt fort: «Ernsthaft, in einer Partitur von Mahler hat jeder Takt ich weiss nicht wie viele Spielanweisungen, während es in der Barockmusik normalerweise keine Dynamik, ja überhaupt keine Anweisungen gibt. Du hast also die Freiheit, sehr viel selber zu entscheiden.»
Die Liebe war kein Strohfeuer. Seit mehreren Jahrzehnten spielt Ada Pesch Barockgeige, leitet La Scintilla, das historisch informierte Ensemble des Opernhauses Zürich. Und sie ist beim Sommer-Festival Musikdorf Ernen gemeinsam mit Bratschistin Deirdre Dowling künstlerische Leiterin des Barockprogramms.
Barockmusiker empfindet sie oft als die interessanteren Künstler. «Klar, brauchst du für die Alte Musik gute Technik. Aber ein Orchester-Probespiel gewinnt man heute nur noch mit enormen technischen Fertigkeiten. Unter Umständen ist man dann ein besserer Instrumentalist als Musiker.»
Vielleicht ist es diese Bescheidenheit, die dazu führt, dass sie sich selbst nicht als Barockspezialistin bezeichnen mag: «Ich sage immer: Ich bin Konzertmeisterin, die extragerne Barock spielt, und das seit vielen Jahren.»
«Extragerne» oder «super special» sind Ausdrücke, welche die Wahlzürcherin oft verwendet. Sie verraten, dass sie in den USA geboren wurde. Das Sportcap, das sie beim Treffen trägt, hat allerdings weniger mit Amerika zu tun als mit Ada Peschs zweiter grossen Leidenschaft: Tennis. «Ich spiele so oft ich kann, manchmal jeden Tag.» Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Geigespielen und Tennis? «Natür- lich!» Ob Sportplatz oder Sinfonie, sie übe sehr gerne, aber noch viel lieber spiele sie mit anderen zusammen. «Nur an meinem Killerinstinkt muss ich noch arbeiten. Auf dem Tennisplatz bin ich zu nett», verrät sie lachend. Wobei das durchaus Vorteile habe, zumindest was ihre Arbeit in Ernen angeht. Wenn Musiker zum ersten Mal da spielen, seien sie erstaunt, wie demokratisch dort gearbeitet werde. Das Ergebnis? «Bisher wollten alle wiederkommen.»
Musikdorf Ernen
Fr, 3.7.–So, 13.9.
Diverse Bühnen Ernen VS
www.musikdorf.ch
Ada Peschs Kulturtipps
CD
Catherine Jones, Van Diemen’s Band: Cello Napoletano (ABC Classics 2017)
«Das ist wunderschöne Musik, zauberhaft gespielt. Das Largo aus dem F-Dur-Konzert von Nicola Fiorenza gehört zu meinen Favoriten.»
CD
J.S. Bach: Cantates pour Alto (Harmonia Mundi 1998)
«Andreas Scholl singt diese Alt-Kantaten, Philippe Herreweghe dirigiert das Collegium Vocale. Die Kantate ‹Vergnügte Ruh› mag ich besonders gern.»
CD
Todo Panchos: Las 24 grandes canciones (Sony 1990)
«Dieses Album des Trio Los Panchos haben meine Eltern gehört, als ich klein war.»