Schicht für Schicht legt Elin ihre Familiengeschichte frei: Die junge Journalistin, die bei einem Modemagazin in Oslo arbeitet, kehrt nach dem Tod ihrer Mutter ins Haus ihrer Kindheit in ein Dorf an der Küste in Nordnorwegen zurück.
Hierhin, wo im Sommer 1985 eine Tragödie ihr Leben für immer verändert hatte. Bei einem Erdrutsch kamen ihre beiden Brüder um, ihr Vater galt als verschollen, und die zehnjährige Elin blieb mit einer trauernden Mutter zurück. Nur ihre Jugendliebe Ola, der beste Freund ihres ältesten Bruders, stand an ihrer Seite.
Ein zerbrechliches Familiengefüge
Beim Aufräumen im Elternhaus stösst Elin nun viele Jahre später auf Ungereimtheiten. Ein Foto, auf dem ihr Vater mit einem Unbekannten zu sehen ist, und ein alter Mantel sind der Auslöser für eine Spurensuche, die sie von Norwegen bis in ein südfranzösisches Dorf führt.
Und sie stellt fest, dass sie ihre Eltern gar nicht richtig gekannt hatte, fragt sich, «welche Sehnsüchte und Lüste sie mit sich herumgetragen hatten, welche Enttäuschungen sie hinuntergeschluckt hatten, worüber sie sich vielleicht hinter verschlossenen Türen zu weinen erlaubt hatten».
Die norwegische Autorin und Journalistin Kristin Valla umkreist in ihrem dritten Roman ein zerbrechliches Familiengefüge. Beim Erforschen der Vergangenheit stösst ihre Ich-Erzählerin auf ein lange gehütetes Geheimnis, das einen anderen Blick auf die grosse Tragödie eröffnet. Ihren Familienroman mit Krimi-Elementen verknüpft Valla mit einer Liebesgeschichte, denn Elin und ihr einstiger Verbündeter Ola nähern sich einander bei der Spurensuche behutsam an.
Entstanden ist ein stimmungsvoller Roman, der aber besonders bei der Auflösung am Schluss etwas konstruiert wirkt. Die atmosphärischen Beschreibungen Norwegens und seiner wortkargen Bewohner stellt Valla in Kontrast zur glitzernden Modewelt, in der sich Elin trotz ihres Berufs als Modejournalistin nie ganz heimisch gefühlt hat.
Kristin Valla
Das Haus über dem Fjord
320 Seiten (Mare 2022)